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Potsdam-Mittelmark: Nicht nur Hurra-Geschrei

Auch in Teltow sollen Stolpersteine an einst deportierte jüdische Mitbürger erinnern

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Teltow - „Es wird nicht nur HurraGeschrei geben", prophezeite Sebastian Hagedorn den Initiatoren des Teltower Stolperstein-Projektes zur Erinnerung an einst deportierte jüdische Mitbürger. Man müsse mit Auseinandersetzungen rechnen, warnte er die rund 20 Interessierten, die jüngst der Einladung von Stadtparlamentschef Rolf Bornschein gefolgt waren. Daher sei es schon im Vorfeld wichtig, mit den Anwohnern der Straßen zu sprechen, in denen Steine verlegt werden sollen.

„Denn es gibt auch Ängste, die man ernst nehmen muss“, sagte Hagedorn. So sei wahrscheinlich aus Furcht in Zehlendorf jetzt ein Stein über Nacht wieder ausgegraben worden, der dort kurz zuvor vom Kölner Künstler Gunter Demnig in der Habelschwerter Allee verlegt worden war. Der Stein sollte an einen jüdischen Mitbürger erinnern, der einst in dieser Straße wohnte und im Oktober 1942 in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und dort 1943 ermordet wurde. Von Ängsten berichtete auch der Kleinmachnower Diakon Martin Bindemann, der das Kleinmachnower Stolperstein-Projekt initiiert hatte. Größtenteils würden die Leute befürchten, jemand könnte ihnen Steine in die Scheiben werfen, im Glauben, die Bewohner seien judenfeindlich. „Man muss die Hauseigentümer zwar nicht um Erlaubnis fragen, um einen Stein auf der Straße vor ihrem Haus zu verlegen, aber es ist notwendig, mit ihnen ein Gespräch zu führen“, riet Bindemann. Seit drei Jahren läuft im Nachbarort das Projekt, an dem sich die Junge Gemeinde der Evangelischen Kirche und der Heimatverein beteiligen. Neun Steine wurden im Frühjahr verlegt, doch die Recherche zu den derzeit 237 bekannten Namen von jüdischen NS-Opfern wird fortgesetzt. Die Suche in verschiedenen Archiven sei aber nicht nur mühselig, sondern stoße bisweilen auch an Grenzen, konstatierte Bindemann: „Manche Archive blieben für uns verschlossen.“

Für das Teltower Projekt signalisierten vor allem die Mühlendorf-Oberschule und das Kant-Gymnasium ihre Bereitschaft, sich an den Recherchen zu beteiligen. Der Leiter des Gymnasiums, Winfried Heileck, berichtete, dass ihn Schüler angesprochen hätten, um am Projekt mitwirken zu können. Im Engagement beider Schulen liege die Chance das Thema generationsübergreifend zu diskutieren, sagte die ehemalige Lehrerin Sigrid Scharnagel, „denn die Schüler werden über ihre Recherchen auch zu Hause mit ihren Eltern sprechen“.

Gleichfalls einbringen will sich der Heimatverein in das Projekt. Frank-Jürgen Seider, der als Autor bereits mehrere Stadtkapitel aufgearbeitet hat, stellte aber klar: „Aus dem Stehgreif ist das nicht zu machen.“ Die Diskussion zeigte zudem , dass die Teltower mit dem Projekt nicht nur an die jüdischen Opfer sondern auch an die politisch Verfolgten des NS-Regimes erinnern wollen, ebenso an religiös Verfolgte, Euthanasieopfer, Sinti und Roma. Kirsten Graulich

Kirsten Graulich

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