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Potsdam-Mittelmark: Nicht nur niedlich
Jäger erlegen so viele Waschbären wie nie zuvor. In Geltow fühlen sich die Allesfresser besonders wohl
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Potsdam-Mittelmark - Geschickt öffnen sie mit ihren Vorderpfoten Schuppen, machen es sich auf Dachböden bequem, wühlen munter den Komposthaufen um und klauen aus dem Garten Erdbeeren, Pflaumen oder saftige Tomaten. Der Waschbär mit der spitzen Nase und den Knopfaugen breitet sich im Potsdamer Umland immer weiter aus. Natürliche Feinde hat er keine: Selbst der Fuchs legt sich nicht mit dem aus Nordamerika eingewanderten Allesfresser an.
731 Waschbären sind im Potsdamer Umland in der vergangenen Jagdsaison erlegt worden, sagt Torsten Fritz von der Unteren Jagdbehörde des Kreises. „Das ist eine erhebliche Steigerung zu den Vorjahren.“ Waren es in der Saison 2011/2012 noch 350 der nachtaktiven Tiere, stieg die Zahl in der darauffolgenden Jagdsaison bereits auf 569 erlegte Waschbären an. „Die Zahlen zeigen, dass der Bestand von Jahr zu Jahr deutlich zunimmt“, so Fritz. Und auch das Brandenburger Agrarministerium ist mittlerweile alarmiert: Im ganzen Land habe sich in nur vier Jahren die Zahl der Tiere fast verdoppelt. In der vergangenen Saison hätten Brandenburger Jäger rund 20 000 Waschbären erwischt.
Besonders wohl fühlt sich der Räuber in Geltow. „Die Tiere sind schon überall“, so der Obmann der Geltower Jagdpächtergemeinschaft, Karsten Schulz. Jetzt im Frühsommer werde es besonders schlimm. „Dann gibt es Junge, und die Waschbärfamilien sind auf Futtersuche.“ Zunehmend würden die Tiere dabei aus den Wäldern in Wohngebiete vorrücken. In den vergangenen Jahren seien in Geltow und Wildpark West um die 25 Tiere erwischt worden. „In den Gärten haben sie reichlich Ausbeute“, so Schulz. Die Menschen würden ihnen viel Futter bieten: In den Mülltonnen finden sie reichlich Leckereien, in freier Wildbahn räubern die Waschbären Enten- und Gänsegelege aus. Besonders gefährdet sind geschützte Tierarten, wie die Eier der Sumpfschildkröte oder Gelege der Großtrappen.
Jäger Schulz wird gerufen, wenn Anwohner nachts kein Auge zubekommen, weil die nachtaktiven Räuber auf dem Dachboden herumtrippeln. „Auch ihr Kot oder Essensreste, die sie ins Haus schleppen, stören Hausbesitzer.“ Die Jagd ist mühsam: „Die Waschbären beanspruchen mehr Zeit als Füchse, Wildschweine und Rehwild.“ Denn mit der Jagd allein komme man den Tieren nicht mehr bei. Immer öfter würden Fallen eingesetzt. „Die müssen zweimal am Tag kontrolliert werden – das ist aufwendig“, so Schulz. Der Jäger ist sich sicher, dass sich die Tiere weiter ausbreiten werden. „Irgendwann gibt es hier nicht mehr genügend Nahrung, dann ziehen sie weiter nach Potsdam.“
Bereits seit 1945 vermehren sich die Tiere nahezu ungehindert. Nach einem Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg auf eine Farm in Strausberg im Landkreis Märkisch-Oderland entflohen zahlreiche Tiere. Ihre Nachfahren sind mittlerweile in ganz Ostdeutschland verbreitet.
Bis zu den Werderaner Obstplantagen sind die Allesfresser noch nicht vorgedrungen. Obstbauer Stefan Lindicke ist erleichtert, denn fallen sie ein, „wird alles geräubert, was süß schmeckt“. Von Obstbauern aus anderen Regionen habe er gehört, dass die Bären in Windeseile die Felder leer räumen würden. „Dann hätten wir noch eine Plage mehr.“ Bereits jetzt würden die Wildschweine den Obstbauern das Leben schwermachen. Sie durchwühlen die Felder und zertrampeln die Früchte, so der Obstbauer.
Noch ist die Zahl der erlegten Waschbären in Werder gering: Zehn seien es pro Jahr, sagt Bernd Jaenecke von der Werderaner Jagdgenossenschaft. Auch am Weinberg von Manfred Lindicke hat Jaenecke sicherheitshalber eine Falle aufgestellt – ein Waschbär wurde dort aber noch nicht ertappt.
Auch in der Region Teltow ist die Population noch überschaubar. „Wir haben erstmalig in der vergangenen Saison zwei Waschbären erlegt“, so Peter Hemmerden. Er geht in Stahnsdorf und Kleinmachnow zur Jagd. Auch hier sei die Lage noch nicht so dramatisch wie mit den Wildschweinen. „Da bekomme ich täglich Anrufe, dass Bachen mit ihren Frischlingen in den Ortslagen unterwegs sind.“
Damit es der Waschbär gar nicht erst in die Vorgärten, Dachstühle und Scheunen schafft, sollten Anwohner ihr Haus und ihren Hof sichern. „Ein Drahtgeflecht um den Komposthaufen hilft“, sagt der Geltower Waschbärjäger Schulz. Auch sollten auf dem Gartenkompost keine Lebensmittel landen. Ganz wichtig: Der Dachstuhl muss im Traufbereich dicht sein. Schon die kleinsten Löcher würden reichen und der Waschbär komme ins Haus. Denn die possierlichen Tiere hätten wahre Bärenkräfte: „Sie schaffen es sogar, Dachsteine anzuheben.“Eva Schmid (mit dpa)
Eva Schmid (mit dpa)
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