Wasserversorgung: Nichts geht mehr
In Ferch wird mit den neuen Trinkwasserbrunnen für Potsdam kaum noch Entwicklung möglich sein. Bürger und Kommunalpolitiker protestieren dagegen – viel ändern können sie nicht.
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Schwielowsee - Keine neuen Baugebiete, keine Geothermie, keine neuen Obstplantagen, keine Hausbrunnen, keine Tierzucht und keine Industrie – für die Potsdamer Wasserversorgung werden in Ferch die Uhren angehalten. Ein Wasserschutzgebiet rund um die Alte Dorfstelle gibt es bereits. Demnächst werden mit einem zweiten Schutzgebiet westlich von Mittelbusch fast alle Einwohner mit erheblichen Einschränkungen leben müssen. Potsdam braucht Wasser – das beste erschlossene Reservoir, das die Stadt noch hat, liegt in Ferch, wie der Wassermanager der Energie und Wasser Potsdam GmbH (EWP), Karsten Zühlke, im Fercher Rathaus erläuterte.
Etwa 40 Bürger waren am Mittwochabend der Einladung zu einer Informationsveranstaltung gefolgt. Das neue Trinkwasserschutzgebiet wird sich, ein bis zwei Kilometer breit, vom Autobahnanschluss Glindow bis zur Löcknitz erstrecken. Die Fördermenge in Ferch soll mit den zehn neuen Brunnen von 2000 auf 5000 Kubikmeter täglich wachsen. Im Januar beginnt ein öffentliches Beteiligungsverfahren dazu, in dem die Betroffenen ihre Einwände vorbringen können – schon jetzt ist das Bedürfnis groß, sich zu äußern.
Risse in den Häusern, ausgetrocknete Hausbrunnen, sterbende Bäume – mehrere Fercher schilderten die Erfahrungen, die seit dem Start der Potsdamer Wasserversorgung in den 80er Jahren hier gemacht worden seien. Vertreter der Unteren Wasser- und Bodenbehörde, des Umweltministeriums und der EWP hörten sich die Bedenken geduldig an, und die sind erheblich: Entwertung der Grundstücke, ein weiterer Rückgang des Grundwasserspiegels und Zusatzkosten, die zum Beispiel durch stärkere Kontrollen von Ölheizungsanlagen und Abwassergruben entstehen. Solche Ängste sind wohl nicht ganz unbegründet, zum Beispiel könnten im unmittelbaren Bereich der EWP-Brunnen einzelne Hausbrunnen tatsächlich trockenfallen, wie es vonseiten des Umweltministeriums hieß.
Einem Hinweis der Bürger, dass es in der Nähe der Mittelbusch-Brunnen neben der bekannten Löcknitzdeponie noch eine zweite Deponie gegeben hat, wollen die Behörden jetzt nachgehen. Probleme mit Altlasten gebe es jedoch durchweg in allen Wasserwerken der EWP, sagte EWP-Mann Zühlke. Die Zugeständnisse, zu denen er bereit ist, sind überschaubar: Hier und da könnten die Grenzen der Schutzzone etwas korrigiert und vielleicht auch in Zukunft moderne Kleinkläranlagen in Kammerode zugelassen werden. Reservoirs in Linthe oder Niemegk zu erschließen sei aber zu teuer, auch das Wasser von Berlin dazuzukaufen. „Das würde die Trinkwasserpreise in Potsdam in die Höhe schrauben“, so Zühlke.
An eine Abkehr von den Plänen in Ferch sei also nicht zu denken. So sah es auch Wolfgang Müller vom Umweltministerium, der das Verfahren für das neue Schutzgebiet führt. „Rausnehmen geht nicht, wir können höchsten über die Schutzbestimmungen reden.“ Im Gegenteil: Wenn Potsdam weiter wächst und die Kapazitäten der Wasserwerke in der Leipziger Straße, Wildpark-West, Rehbrücke und Nedlitz nicht mehr reichen, müssen die Entnahmemengen in Ferch weiter erhöht werden. Dann müsste über einen Oberflächeneintrag vom Schwielowsee nachgedacht werden, um den Speicher nachzufüllen, wie Zühlke erläuterte. „Das ist aber Zukunftsmusik.“
Entschädigungen werden dafür an die Bürger – soweit es sich nicht um „Härtefälle“ handele – nicht gezahlt, wie es auf deren Nachfragen hieß. „Wenn ein Grundstück Wert für eine öffentliche Nutzung hat, muss man die Einschränkungen entschädigungslos hinnehmen“, sagte Wolfgang Müller. Allenfalls die Eigner von Landwirtschaftsflächen könnten einen Verlustausgleich erwarten.
Das Umweltministerium erhält von der EWP für jeden geförderten Kubikmeter zehn Cent, um damit landesweit in die Verbesserung der Wassergüte zu investieren. Ralf Ellguth, Vorstandsmitglied vom Bürgerbündnis Schwielowsee, kritisierte diesen Geldfluss: Auf die Gemeinde und die Bürger würden erhebliche Zusatzkosten zukommen, wenn zum Beispiel Straßen nur noch mit bestimmten Materialien ausgebaut werden dürfen und ein zentraler Abwasseranschluss von Randbereichen notwendig wird. „In die Flurneuordnung am Kammeroder Obstplan wurden riesige Summen investiert, jetzt wird da kaum noch Obstbau möglich sein“, so Ellguth. „Wir haben den ganzen Ärger und das Land bekommt das Geld.“ Wiederholt fiel am Mittwoch das Wort „Normenkontrollklage“.
Auch im Rathaus ist man nicht begeistert. Schwielowsees Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) kündigte eine kritische Stellungnahme an. „Unser Ziel ist es, die Zahl der 62 Einschränkungen zu minimieren und Korrekturen an den Grenzen des Trinkwasserschutzgebietes hinzubekommen.“ Mehr, das weiß auch sie, wird kaum rauszuholen sein.
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