Potsdam-Mittelmark: Noch einiges im Argen
Schwielowsee will Erholungsort werden – ein Tourismusprofi analysierte, was noch zu tun bleibt
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Schwielowsee - Es war eine stolze Hochrechnung, die Matthias Wedepohl am Mittwochabend aufmachte: 24 Millionen Euro würden in der Gemeinde Schwielowsee jährlich durch Tourismus umgesetzt, Einkommenseffekte von 16 Millionen und Steuereinnahmen von 670 000 Euro durch touristische Unternehmen erzielt. Der Tourismusmanager vom Berliner Büro „Project M“ bereitet derzeit im Auftrag der Gemeinde den Antrag vor, mit dem man sich als „Staatlich anerkannter Erholungsort“ bewerben möchte.
Mit dem Qualitätssiegel, das vom Wirtschaftsministerium vergeben wird, werben derzeit 16 brandenburgische Kommunen um Touristen. Laut Kurortgesetz ist für den Titel eine landschaftlich bevorzugte und klimatisch günstige Lage erforderlich. Es müssen geeignete Einrichtungen, gekennzeichnete Rad- und Wanderwege, Sport-, Spiel- und Liegewiesen sowie ein Frei- oder Hallenbad vorhanden sein.
Wie ist es damit in Schwielowsee bestellt? Wedepohl erstellte eine erste Bestandsaufnahme, sein mit Videotechnik ausgestatteter VW-Bus stand in den vergangen Wochen manchem Einwohner im Weg. Attraktive Gewässerlage, schöne Ortseingänge, die Promenade am Caputher Gemünde, Bänke und Fahrradstellplätze, eine offene Kirche in Caputh, eine gute Beherbergungsstruktur, schön gestaltete Ruhebereiche wie der Einsteinplatz in Caputh – all das stehe auf der Habenseite. Besonders beeindruckt zeigte sich der Fachmann vom umfangreichen Kulturangebot der Gemeinde.
Doch einiges liegt noch im Argen, Wedepohls Aufzählung dürfte die Gemeinde bei ihrer Bewerbung noch beschäftigen: Das Caputh am Wochenende oft verstopft ist, liege auch an der mangelhaften Besucherlenkung, das Parkleitsystem „verspricht mehr, als es hält“. Unzulänglich sei die Beschilderung von Sehenswürdigkeiten und interessanten Zielen – auch für Fußgänger. Wer am Bahnhof Schwielowsee aussteigt, bekomme keine Information, wie lange er zum Beispiel zum Schloss Caputh laufen muss.
Öffentliche Toiletten würden fehlen. Aus der Zufahrt zum Strandbad Caputh ist Wedepohl mit seinem Bus kaum wieder herausgekommen. Die Informationstafeln seien unübersichtlich, der Informator im Ortszentrum Geltow, an dem man Übernachtungen buchen kann, ungünstig platziert. „Hier kommt kein Mensch hin.“ Die Internetpräsentation der Gemeinde und des Schwielowsee Tourismus e.V. seien „wenig nutzerfreundlich“. Fazit: Die Gemeinde könne mehr, die Potenziale würden noch nicht ausgeschöpft.
Wie weiter? „Die Gemeinde ist für die Rahmenbedingungen verantwortlich, die touristischen Anbieter für marktgerechte Angebote“, sagte Wedepohl. Und nicht zuletzt würden Bürger benötigt, die die Besucher freundlich willkommen heißen – ein unbezahlbarer Wert. „Der Besucher kann es hier richtig gut haben, wenn Qualität und Angebote stimmen.“ Er plädierte – auch im Zusammenhang mit der Debatte um den Wasserflieger – für einen Bewusstseinswandel. „Der Begriff ,nachhaltiger Tourismus wird von Einigen für ,gar kein Tourismus“ verwendet. Wenn man nur Waldspaziergänger will, bleibt nicht viel hängen.“
Wedepohl wird im September mit dem Rathaus einen Vorbescheid beim Wirtschaftsministerium beantragen. Dann wird ein Fachbeirat die Gemeinde besichtigen und entscheiden, ob sich das langwierige Antragsverfahren zum „Staatlich anerkannten Erholungsort“ überhaupt lohnt. Henry Klix
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