
© Enrico Bellin
Werder (Havel): Noch mehr Bomben in Kemnitz vermutet
Sprengmeister Mike Schwitzke sprengte die beiden Weltkriegsbomben in Kemnitz problemlos. Er vermutet dort noch weitere Sprengkörper, nun soll der Wald durchsucht werden.
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Werder (Havel) - Im Wald rund um Kemnitz könnte noch mehr Weltkriegsmunition liegen als die beiden Bomben, die Sprengmeister Mike Schwitzke am gestrigen Donnerstag erfolgreich gesprengt hat. „Wir werden mit den Waldbesitzern sprechen und in den nächsten Tagen das Gebiet noch einmal gründlich absuchen müssen“, sagte Schwitzke vor dem mehrere Meter tiefen Loch, das die beiden 70-Kilogramm-Bomben in den Waldboden zwischen Autobahn und Ortskern gerissen haben. Auf der anderen Seite der Autobahn, in den Werderaner Havelauen, hatte die Wehrmacht einen Fliegerhorst betrieben. Zum Kriegsende wurden im Wald Munition und Flugzeugteile vergraben.
Etwa 130 Meter neben dem Fundort der beiden gesprengten Bomben fahren täglich gut 20 000 Autos pro Richtung auf der Autobahn 10, halbstündlich donnern die Regionalexpresszüge der Linie 1 in etwa 300 Metern Entfernung vorbei. Trotz der dadurch hervorgerufenen Erschütterungen habe keine Gefahr bestanden, dass die beiden Bomben plötzlich explodieren, sagte Schwitzke. Ihr elektrischer Aufschlagszünder sei recht verlässlich. „Wir wissen aber nicht, was hier noch so im Boden liegt“, so der Sprengmeister.
Jugendliche fanden Bombe im Wald während der Baumblüte
Gerufen wurde er, weil Jugendliche bereits während des Baumblütenfestes im Wald eine zehn Kilogramm schwere Bombe im Wald gefunden und der Feuerwehr gemeldet hatten. Diese führte Schwitzke am Montag durch den Wald. „Die kleine Bombe konnten wir mitnehmen und entsorgen, aber wir haben in der Gegend verdächtig viele Löcher im Waldboden gefunden.“ Höchstwahrscheinlich hätten Schatzsucher mit Metalldetektoren im Boden gesucht. Ganz in der Nähe sei er dann auf die beiden nicht mehr transportfähigen Bomben gestoßen.
Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) appellierte deshalb insbesondere an junge Werderaner, die Gefahr von Fundmunition nicht zu unterschätzen. „Je länger die Kampfmittel in der Erde liegen, desto gefährlicher werden sie“, so Saß. Schließlich rosten auch die Zünder. In Werder sei zwar 16 Jahre lang keine Munition mehr gefunden worden. „Der aktuelle Fall zeigt uns aber, dass wir vorsichtig bleiben sollten“, sagte die Bürgermeisterin.
Gemeinsam mit etwa hundert Mitarbeitern von Verwaltung und Freiwilliger Feuerwehr war sie gestern unterwegs, um den Sperrkreis zu sichern. Etwa zwölf Häuser, der Golfclub und das Gestüt Bon Homme sowie eine Gartensparte und eine Lagerhalle waren betroffen. Die Auswirkungen hielten sich in Grenzen: Anders als zunächst gesagt war der Caterer Sodexo, der eine Vielzahl an Schulen im Landkreis mit Essen beliefert, nicht betroffen. Auf dem Gestüt mussten einige Pferde auf andere Koppeln gebracht werden. Im Kemnitzer Gemeindezentrum, in dem sich die Menschen aus evakuierten Häusern und der Gartensparte aufhalten konnten, warteten neben den Stadtmitarbeitern etwa zehn Menschen von acht Uhr bis zur Aufhebung des Sperrkreises um 10.45 Uhr.
Die Evakuierung klappte problemlos
So ruhig wie gestern ist es im direkt an der Bahnstrecke gelegenen Gemeindezentrum sonst nie: Ab 9.30 Uhr donnerten keine Züge mehr vorbei, genau wie die Autobahn musste die Bahntrasse während der Sprengung voll gesperrt werden. Die Wartenden genießen die Ruhe, unterhalten sich leise oder blättern durch mitgebrachte Bücher. Kurz gab es Aufregung, als eine Wandergruppe in der Nähe aufgetaucht war, die dann jedoch ihre Route geändert hat. „Die Evakuierung hat gut geklappt, viele der älteren Einwohner sind zu ihren Familien gefahren“, sagt Ortsvorsteher Joachim Thiele. Er wohnt selbst im Sperrkreis und hatte das Gemeindezentrum gegen sieben Uhr aufgeschlossen. Um die Zeit sei im 240-Einwohner-Örtchen ohnehin nicht viel los. Er habe erst durch den Bombenfund erfahren, dass direkt an seinen Ort eine Verdachtsfläche für Weltkriegsmunition liegt.
Direkt vor dem Gemeindezentrum hatte die Feuerwehr aus dem Nachbarortsteil Derwitz die Dorfstraße abgesperrt. Einige Autofahrer, die auf den Golfplatz wollten, mussten umdrehen. Die meisten verbrachten die Zeit beim Kaffee im nahen Restaurant Rittmeister. Ein Motorrollerfahrer sauste auf dem Gehweg an der Sperrung vorbei, wurde von dahinter postierten Polizisten jedoch sofort wieder zurückgeschickt.
Drei leise Wellen wie von fernem Feuerwerk
Sonst blieb alles ruhig im Ort. Der Linienbus, der um 9.57 Uhr vom Kemnitzer Gemeindehaus nach Werder fährt, wurde noch einmal durch den Sperrkreis gelassen. Kurz danach fährt der Verkaufswagen der Bäckerei Fischer aus Götz vor, der aus Richtung Derwitz kam und deshalb nicht durch den Sperrkreis musste. Feuerwehrkameraden und Wartende decken sich mit Kuchen ein. So viele Kunden habe er in Kemnitz sonst nie, sagt der Verkäufer. Dann ziehen in kurzer Zeit drei leise Wellen wie von fernem Feuerwerk durch den Ort: Eine Vorwarnung, die eigentliche Sprengung und die Entwarnung. Wer nicht genau darauf geachtet oder die Fenster zu hatte, hat sie nicht bemerkt. Mike Schwitzke hatte die Bomben zuvor mit einer Folie abgedeckt, auf die die Feuerwehr dann 16 000 Liter Wasser gegossen hatte, um das Herumfliegen von Bombenteilen zu verhindern.
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