KulTOUR: Nosferatu, Murnau und Schreck Südwestkirchhof feierte dreifaches Jubiläum
Stahnsdorf - Der Südwestfriedhof Stahnsdorf ist bekannt als besonderer Ort. Hier liegen nicht nur Hochbekannte wie Heinrich Zille, Werner von Siemens oder Lovis Corinth mehr oder weniger vornehm begraben, sondern auch ein Gutteil Geschichte.
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Stahnsdorf - Der Südwestfriedhof Stahnsdorf ist bekannt als besonderer Ort. Hier liegen nicht nur Hochbekannte wie Heinrich Zille, Werner von Siemens oder Lovis Corinth mehr oder weniger vornehm begraben, sondern auch ein Gutteil Geschichte. Der langjährige Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeld und der Friedhofs-Förderverein haben schon vor etlichen Jahren ein brillantes Konzept gefunden, den Hort der Tränen und des Schmerzes in das zu verwandeln, was so ein Gottesacker früher auch einmal war, eine Stätte der lebendigen Begegnung und der Kultur.
Unvergessen die „Langen Nächte“, die Konzerte, thematisierten Führungen. Es funktioniert also zwischen Friedhof und Welt. Da helfen dann auch Anlässe kräftig mit, denn des Menschen Neugier will ständig neu genähert werden. Am Samstag gab es in und vor der dreischiffigen Holzkapelle, die an norwegische Stabholzkirchen erinnert, ein großes und sehr schönes Fest. Zu feiern waren der 85. Todestag des Filmregisseurs Friedrich Wilhelm Murnau, der 95. seines bekanntesten Stummfilms „Nosferatu“ und der 80. Todestag von Max Schreck, dem unvergessenen Vampir-Graf Orlok im gleichnamigen Film. Dazu wurden zwei Murnau-Werke in der Kapelle angeboten, am Nachmittag „Sunrise - Lied von zwei Menschen“ von 1927, sein erster Streifen in den USA, abends dann, na klar, die „Symphonie des Grauens“ von 1922, übrigens nicht zum ersten Mal vor Ort – einer wie dieser Nosferatu, Blutsauger und Pestbringer, gehört natürlich hierhin. Auch im Film lief er ja mit einem Erdsarg herum, um seine Schattenkraft zu erhalten. Der Stummfilmpianist Stephan Graf von Bothmer begleitete Nosferatus Weg von Transsilvanien nach Wyborg auf der altehrwürdigen Orgel mit wundervollen, extra für den Film erdachten Kompositionen. Super, sie hatten stets einen klassischen Grund, darüber aber glänzten und perlten alle möglichen Stile und Spiele in dunklem und leicht-hellem Timbre. Ein Meisterwerk. Das müssen wohl auch die Besucher gewusst haben, volles Gestühl schon am Nachmittag, abends kamen noch mehr, viele spontan.
Drei Jubiläen – ein Fest. Olaf Ihlefeld und all seine Helfer im Ehrenamt waren hochzufrieden. Auch zuvor gab es ja schon Attraktion. Murnaus Gruft konnte begangen werden, aus der vergangenes Jahr jemand seinen Totenschädel klaute. Das macht einen wie ihn gewiss nicht kopflos, eher noch berühmter. Auch andere Grüfte, wie die des Ägyptenfreundes Harteneck, oder jene der Familie Caspari gleich neben den Verpflegungszelten. Wendeltreppe runter, beleuchtete Feuchte, in einem Fall fielen die Sargbretter schon auseinander. Das muss doch jedes Vampirherz (falls vorhanden) erfreuen! Alles an diesem Benefiztag – der Erlös wird zur örtlichen Denkmalsanierung verwendet – war stimmig, alles passte zusammen, Grusel und Frieden, Würde und Spiel, sogar die Verpflegung. Hätten solche Veranstaltungen nicht so einen hohen Aufwand, man wünschte sich mehr davon, auch zugunsten des silvestrischen Gottesackers, denn hier liegt nicht nur einfach nur „Geschichte“ begraben. Dieser Fleck Erde lebt ja von der Stille der Architektur und dem Atem der Natur, das ist hier ein Rhythmus. Vielleicht kommt man deshalb so gern hierher.
Im Film bedurfte es eines Frauenopfers, um Wyborg vom Elend der Pest und von deren Schatten zu erlösen. Heute glaubt man das alles nicht mehr. Doch Kopf hoch, Friedrich Wilhelm, vielleicht wird es ja wieder Gerold Paul
Gerold Paul
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