
© Andreas Klaer
Von Henry Klix: Obstbau in Not
Förderverein „Mittlere Havel“ und Landtagsabgeordneter Kuhnert mit neuen Rettungsinitiativen
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Werder (Havel) - 45 Hektar Obstbauflächen bei Schmergow, 42 Hektar bei Deetz – allein in der aktuellen Ausschreibung der Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft finden sich genug Flächen, um vier Obstbauernfamilien zu ernähren. Doch in der Region wird befürchtet, dass sich das Landschaftsbild zwischen Werder, Lehnin, Groß Kreutz und Ketzin bald wandelt: Eine ganze Reihe von nach der Wende vereinbarten Pachtverträgen über Treuhandflächen sind nach 20 Jahren ausgelaufen. Ein Teil davon wird meistbietend und in derartigen Paketen verkauft, dass regionale Landwirte keine Chance haben, sagt der Vorsitzende des Werderaner Obst- und Gartenbauvereins, Walter Kassin. Von der Landespolitik fühlt man sich alleingelassen.
Kassin sieht die Gefahr, dass „Energiewirte“ den Obstbau verdrängen und das Landschaftsbild künftig von Maisfeldern und Biomeilern geprägt ist. „Wenn es so weiter geht, gibt es hier in 50 Jahren keinen einzigen Obstbaum mehr“, fürchtet er. Dabei habe Mais keine große Perspektive auf hiesigen Böden, auf mittlere Sicht drohe die Versteppung.
Die Furcht wird vom Förderverein Mittlere Havel geteilt, der sich die nachhaltige Regionalentwicklung im Havelniederungs- und Zauchegebiet auf die Fahnen geschrieben hat. Am Mittwoch hatte er Obstbauern und Fachleute zu einer internen Runde eingeladen, um Perspektiven auszuloten. „Uns allen ist aufgefallen, dass die Obstbaumbestände hier massiv zurückgehen“, so Vereinsvize Marina Donner. Im Verein stelle man sich die Frage, was von den Unternehmen und was von der Politik gewollt ist? „Vielleicht müssen die Obstbauern ja auch nur lauter brüllen, um Aufmerksamkeit zu erregen“, überlegt Donner. In monatlichen Stammtischen wollen man sich den Problemen nähern. „Ich glaube, die Diskussion gewinnt gerade an Fahrt.“
Im Land ist das Problem zumindest bekannt: Schon vor zwei Jahren wurde in einer Studie, die die Humboldt-Universität für das Agrarministerium erstellt hatte, die dramatische Lage des Obstbaus dargestellt. Zwar sahen die Gutachter ein zusätzliches Vermarktungspotenzial von 30 Prozent, der Obstbau wäre also ausbaufähig. Doch um die Wertschöpfungskette zu erhalten, müssten die teils völlig überalterten Flächen erneuert werden. Ein Viertel der Apfelflächen ist über 25 Jahre alt, bei Süßkirschen sind es 40 Prozent. Alte Bäume sind anfälliger, Erträge sinken, die Sorten lassen sich schlechter verkaufen. „Manche der überalterten Schläge auf der Glindower Platte geben auch kein schönes Bild mehr ab“, sagt Walter Kassin. Den Obstbauern fehle das Finanzpolster für Investitionen. Mit dem Förderverein Mittlere Havel ist er sich einig, dass Ausgleichgelder für Baumaßnahmen statt in pflegeintensive Streuobstwiesen in die Erneuerung der Obstkulturen fließen sollten.
Es ist ein Ansatz, den auch der Lehniner Landtagsabgeordnete Andreas Kuhnert (SPD) für überlegenswert hält. Zum 6. Dezember hat er Obstbauern, Politiker und Fachleute zu einem überparteilichen Runden Tisch nach Werder eingeladen. „Es wäre ein Jammer, wenn der Obstbau in der Region den Bach runter geht“, so Kuhnert. Es handele sich um mehr als einen Wirtschaftszweig: „Wir reden von einer Jahrhunderte alten Kultur.“
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