Potsdam-Mittelmark: Offene Fragen zu den letzten Kriegstagen Werderaner nähern sich den Geschehnissen
Werder (Havel) - Wer hat Werder zum Ende des 2. Weltkriegs vor der Zerstörung bewahrt?
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Werder (Havel) - Wer hat Werder zum Ende des 2. Weltkriegs vor der Zerstörung bewahrt? Wer hat dafür gesorgt, dass die Stadt am 3. Mai 1945 kampflos an die Rote Armee übergeben wurde? Die Fragen sind immer noch ungeklärt. Doch Werderaner Heimathistoriker nähern sich derzeit von zwei Seiten den Geschehnissen zum Kriegsende, von denen in der Stadtchronik nichts zu finden ist.
Eine Arbeitsgruppe des Heimatvereins hat vor zweieinhalb Jahren mit der Recherche begonnen. Anekdoten wie die des Fischers Ramdohr traten zutage, der von einem amerikanischen Flugzeugwrack im Wasser das Rad herausfischte und in einer Schubkarre verbaute. Fakten wie die Standorte der Panzersperren, der drei Lazarette oder eines Gefangenenlagers mit russischen Zwangsarbeitern in der Eisenbahnstraße wurden zusammengetragen. Kriegsgefangene hielten auch in Werder die Produktion in Betrieben und Obsthöfen aufrecht, so der Sprecher der Arbeitsgruppe Kurt Pape – womöglich einer der Gründe, warum das Thema so lange verschwiegen wurde.
Die Recherchearbeit des Heimatvereins für einen ersten Teil ist abgeschlossen, eine Buchveröffentlichung ist in einem Jahr geplant, sagt Vereinschef Klaus Froh. Ein Dutzend Zeitzeugen und vor allem die Archive wurden befragt. Für einen zweiten Teil über die Nachkriegszeit stehen unter anderem bereits Beratungsprotokolle des Bürgermeisters zur Verfügung, die im Kreisarchiv auftauchten.
Der Name des Stadtkommandanten ist derweil immer noch nicht bekannt. Sicher ist, dass der Werderaner Arzt Dr. Hans Bamberg und der Zahnarzt Dr. Erwin Velten als Parlamentäre mit weißen Fahnen in einem Kahn zu den Russen gerudert sind. Eine Variante: Hans Bamberg könnte Lazarettchef und Stadtkommandant gewesen sein. Laut neuerer Recherchen des Heimatvereins hat auch ein Oberst Przybilski eine wichtige Rolle bei der kampflosen Übergabe gespielt. Er war offenbar im Mitte April zerstörten Fliegerhorst am Stadtrand tätig gewesen.
Der Werderaner Heimathistoriker Baldur Martin nähert sich den Geschehnissen von einer zweiten Seite: In einem Projekt mit dem Oberstufenzentrum Werder konnten 30 Zeitzeugen zu den letzten Kriegstagen interviewt werden. Die Gedächtnisprotokolle sollen ebenfalls zu einem Buch zusammengefasst werden. Derzeit werden sie ausgewertet. Einige Details müssen noch nachgefragt und Dopplungen korrigiert werden. Nach der Autorisierung soll auch dieses Buch in einem Jahr erscheinen. „Es geht um den Einmarsch der Russen, die Zwangsarbeiter, die Frauen, die in den Lazaretten gearbeitet haben“, zählt Baldur Martin auf.
Die Werderaner hätten ganz unterschiedliche Erfahrungen mit den Rotarmisten gemacht: Eine Familie, deren aufmüpfiger Vater sich vor den Nazis verstecken musste, begrüßte die Russen als Befreier. Eine andere Frau erzählte, wie ihre Mutter von einem Rotarmisten erschossen wurde: Sie hatte aus dem Fenster geschrien, als er ins benachbarte Fenster der Tochter einsteigen wollte.
Neu sei die Erkenntnis, dass es neben dem Bombeneinschlag auf dem Inselmarkt einen Granateinschlag auf dem Plantagenplatz mit mehreren Opfern gegeben hat. Jahrzehnte sei das Thema in Werder verschwiegen worden, sagt Martin. Inzwischen sei es schwer, noch Zeitzeugen zu finden. Viele Fragen blieben offen, auch die nach dem Stadtkommandanten. „Die Befragten waren ja damals noch Kinder.“ Henry Klix
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