AUS DEM PROGRAMM: Offene Teltower Höfe Wenn der Funke überspringt
Leben in den Häusern der Stadtbauern / In Teltow wird am Sonntag zum Tag der offenen Höfe eingeladen
Stand:
31 Teltower Familien laden am 30. August von 12 bis 19 Uhr zu Spiel und Gesang bei Kaffee, Kuchen und Gegrilltem auf ihre Höfe in der Teltower Altstadt ein. Zu sehen sind unter anderem Kunstausstellungen, eine Feldschmiede und eine Bienenschau. In der Andreaskirche gibt es um 15 Uhr Orgelmusik für Kinder, 16 Uhr das Gesangsduett „Die Russischen Waisen“, 17 Uhr Orgelmusik für Erwachsene und 18 Uhr ein Flötenduett vom Kirchturm. Das ausführliche Programm aller Höfe ist im Internet unter www.teltow.de zu finden.
Teltow – Wenn sich am kommenden Sonntag wieder die Tore zu den Höfen der Ackerbürgerhäuser öffnen, können Besucher manches Kleinod entdecken. Wie die „Stadtbauern“ früher lebten ist noch an manchen Details in den über 30 Höfen ablesbar, die sich am 4. Tag der offenen Höfe beteiligen. Charakteristisch für die Anwesen waren große Toreinfahrten für die Ackerwagen. So ein großes Holztor ist noch in der Potsdamer Straße 67 zu sehen. Ernst Eichelkraut steht in Fraktur-Lettern über der Einfahrt und verweist auf den Zimmermeister, dessen Vorfahren ebenfalls Zimmerer waren und seit 1789 in diesem Haus wohnten.
Der Haupterwerb mit einem Handwerk war typisch für Einwohner einer Ackerbürgerstadt, die zudem noch Landwirte waren. Das Holzpflaster in der Toreinfahrt blieb erhalten und im Hof steht ein schöner alter Nussbaum. Die Holzveranda im zweiten Stockwerk ist eine Rarität, vermutlich eine Erinnerung an die alte Heimat. Denn die Bürgerrolle der Stadt weist einen Zimmermann namens Johann Eichelkraut aus, der im 18.Jahrhundert aus dem Vogtland nach Teltow kam. Gleich links neben der Toreinfahrt war ein Pferdestall mit Heuboden, den sich die späteren Eigentümer zum Wohnhaus umbauten. Gegenüber steht ein Flachbau, der 1952 entstand und bis Anfang der 90er Jahre als Werkstatt für eine Tischlerei genutzt wurde. Im Haus existieren sogar noch die alten stillgelegten Leitungen für Gaslicht. Eine Kuriosität sind die fingerdicken Röhren in der Zimmerdecke, durch die einst der Tabaksqualm in den Oberboden des Hauses abzog. Diese Entlüftungsversion war der starken Nikotinleidenschaft der Bewohner geschuldet. Zudem gab es noch eine Räucherkammer, die bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts genutzt wurde. Zwischen den Wiesen und dem Grundstück liegt der Hollandweg, ein ehemaliger Wirtschaftsweg, den sich die Anlieger um 1900 bauten, um mit ihren Fuhrwerken auf die angrenzenden Äcker fahren zu können.
Käufer für die Häuser in der Potsdamer Straße waren in der Vergangenheit schwer zu finden, denn die vielbefahrene Durchgangsstraße schreckte viele ab. Rings um die Andreaskirche fanden sich dagegen mehr Interessenten, eines der denkmalgeschützten Häuser zu sanieren. Jörg Langner, von Beruf Architekt, hat ein Haus am Zickenplatz wieder zu einem Schmuckstück werden lassen und seither neun weitere Gebäude in der Altstadt saniert. Die meisten Häuser standen jahrelang leer und so lief oft Regenwasser durchs Dach und ließ Balken faulen. Auch die typischen „Kuchensteine“, nur leicht gebrannt und daher krümelig, wurden zum Problem. Teilweise, so Langner, verwendeten die Teltower nach dem Brand von 1801 ungebrannte Lehmsteine, die sich als nicht sehr druckfest erwiesen. Lehm sei heute aber wieder ein moderner Baustoff, weil er Feuchtigkeit aufnehmen könne und nach draußen abgebe. Langner: „Lehm ist nicht nur flexibel einsetzbar, sondern auch preiswert und gesund.“ So ein konsequenter Lehmbau ist das Haus an der Ecke Ritterstraße/Badstraße. Auch innen wurden farbige Lehmfeinputze verwandt. Dabei fiel das Gutachten eines Sachverständigen für die Ruine anfangs vernichtend aus: Abriss. „Aber wir fanden einen Ansatz, um es doch noch hinzukriegen", so Langner. Den Architekten freut besonders, „wenn der Funke auf die neuen Bewohner überspringt und sie gern in der Altstadt leben". Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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