
© Eva Schmid
Potsdam-Mittelmark: Ohne auf die Uhr zu schauen
Seit 20 Jahren kümmert sie sich um Alte und Kranke in Töplitz – unterwegs mit Schwester Maike
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Werder (Havel) - Früher trug sie noch Häubchen, heute ein modisches weißes Kleid über der Jeans. Mit ihrer Schwalbe Duo auf drei Rädern tuckerte sie damals über holprige Straßen der Insel Töplitz, jetzt fährt sie im geräumigen Kombi durch die Gegend. Jung und schüchtern klopfte Krankenschwester Maike Schulz an die Türen der alten Menschen und bot ihnen ihre Dienste in der Hauspflege an, 20 Jahre später muss sie sogar Patienten ablehnen, weil sie so viel zu tun hat.
Sie versorgt Wunden, verabreicht Medikamente, macht die Betten und geht auch mal Eisessen mit ihren Patienten. „Auf die Uhr schaut sie nie“, sagt die 94-jährige Irmgard Matzdorf im Altenpflegeheim „Blütentraum“ in Werder. Irmgard Matzdorf wird regelmäßig von Schwester Maike, wie sie seit ihrer Ausbildung als Krankenschwester von allen genannt wird, besucht. Und die nimmt sich Zeit: „Ich pflege so, wie es mir richtig erscheint – ich lasse mich nicht verbiegen.“ Die vielen Vorgaben zur Pflege durch die Krankenkasse kenne sie zwar, doch was auf dem Papier stehe und was in der Praxis geschehe, da würden Welten dazwischen liegen.
Gemeinsam lachen, Spiele spielen, alte Fotos anschauen – das gehöre auch zu ihrem Job. „Manche Patienten begleite ich bis zu zehn Jahre, da gehört man zur Familie“, sagt die 57-jährige, die jüngst das 20-jährige Jubiläum ihrer kleinen Hauskrankenpflegefirma feierte. Besonders in ländlichen Regionen sei die Krankenpflege weniger anonym als in Städten. Im Team von Maike Schulz arbeiten acht Pfleger und Krankenschwestern. „Das ist überschaubar, unsere Patienten wissen immer, wer zu ihnen kommt.“
Ihren Patientenstamm hat sich die Frau mit dem Kurzhaarschnitt mühsam aufgebaut. „Nachdem ich zehn Jahre im Potsdamer Krankenhaus gearbeitet habe, wurde die Stelle einer Gemeindeschwester in Töplitz frei“, sagt Maike Schulz, die wegen der Liebe von Sachsen-Anhalt auf die Insel zog. Als sie ihre Stelle antrat, war ihr mulmig: „Ich war erst 30 Jahre alt und dachte, die älteren Töplitzer hätten etwas gegen einen Jungspund wie mich.“ Ihre Vorgängerin, Schwester Rosie, hatte den Job jahrzehntelang gemacht, war anerkannt und beliebt. „Und dann kam ich, mit nichts in der Hand außer meiner Verbandstasche.“ Sie klingelte an jedem Haus, stellte sich vor und siehe da – „alle waren freundlich“. In der Zeit als Gemeindeschwester gab ihr das Töplitzer Rathaus als Dienstfahrzeug einen orangefarbenen Duo. „Im Winter wurde darum eine Plane gespannt, das war was.“
Wenn Maike Schulz von vergangenen Zeiten redet, schüttelt sie ab und an den Kopf. Sie kann es nicht ganz fassen, dass das alles schon so lange her ist, sie ihren Job schon so lange macht. „Es sind die vielen Momente der Dankbarkeit, die mich motivieren, weiter zu machen“, sagt die Krankenschwester.
Die Arbeit ist nicht immer leicht: Ihr Team bietet auch häusliche Sterbebegleitung an. Als belastend empfinde sie es nicht, sterbenden Menschen zu helfen. Auch die Angehörigen werden mitunter vom Pflegeteam betreut. „Man muss damit umgehen können.“ Wenn die Stimmung mal ganz unten ist, etwas Schlimmes passiert oder der Tag einfach nur nervenaufreibend war, dann ist da immer noch die rote Nase. „Die setzt meine Mitarbeiterin auf, wenn sie denkt, wir müssten mal wieder lachen“, erzählt Maike Schulz. Die rote Nase liegt manchmal auch in ihrer Verbandstasche und kommt bei Hausbesuchen zum Einsatz.
Jeder ihrer rund 70 betreuten Patienten habe seine Vorlieben: „Eine Dame konnte nur versorgt werden, wenn wir dabei gesungen haben.“ Ohne die angenehme Melodie nahe ihrem Ohr hätte sie sich nicht anfassen lassen. Eine andere Patientin wünschte sich ein gemeinsames Foto im Fotostudio mit ihrer Lieblings-Krankenschwester. „Wie ich meine Arbeit erlebe, was sie mir gibt, kann ich gar nicht in Worte fassen“, sagt die Krankenschwester, die ihre Kurzversion des Namens mittlerweile als ganz normal ansieht. In Töplitz gebe es nur einen Anwohner, der sie mit Frau Schulz anspreche. Sie hat sich einen Namen gemacht, ist bekannt und beliebt. Von ihrer damaligen Angst ist nichts mehr geblieben. Wenn sie heute auf dem Weg zu ihren Patienten ist, dann erinnert nur noch ein kleines Detail an frühere Zeiten: Ihre von der Sonne ausgeblichene Verbandstasche kommt noch immer zum Einsatz. Das ausgebeulte Lederköfferchen ist zu Schwester Maikes Markenzeichen geworden. Eva Schmid
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