
© Eva Schmid
Potsdam-Mittelmark: Ohne Berührungsängste
Bedenken gab es auch in Teltow, als die ersten Asylbewerber kamen. Mittlerweile wurden persönliche Kontakte geknüpft und es wird zu einem Sommerfest eingeladen
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Teltow - Berührungsängste kennt Kamal nicht: Der achtjährige Junge aus Dagestan stupst einen Jungen am Arm, zeigt auf einen in der Ecke liegenden Ball und sagt etwas wie „Komm, spielen!“ Seine Eltern hingegen sind schüchtern. Etwas unsicher laufen sie durch den Garten des Teltower Familienzentrums Philantow. Einmal in der Woche ist dort Spielenachmittag. Seit vier Monaten kommt die Familie, die aus der russischen Republik im Nordkaukasus nach Deutschland geflüchtet ist, hier vorbei. Mit der Leiterin der Spielgruppe haben sie sich schon angefreundet. Sie spricht Russisch. Seit Kurzem kommen sie auch mit deutschen Eltern ins Gespräch.
In Teltow geht es anders zu als in Berlin-Hellersdorf, wo Anwohner derzeit massiv gegen ein Flüchtlingsheim protestieren. Angst und Protest blieben in Teltow weitestgehend aus, als vor sieben Monaten die ersten Flüchtlinge in den Wohnblock an der Iserstraße eingezogen sind. „Wir haben frühzeitig Leute aus Vereinen, Institutionen und Kommunalpolitiker angesprochen, damit es gar nicht erst zu einer fehlgeleiteten Kommunikation kommt“, sagt Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD). Die Stadt habe gute Voraussetzungen für die Aufnahme von Flüchtlingen, so die Integrationsbeauftragten des Landkreises, Theresa Arens: „Hier gibt es viele Angebote, am zivilgesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“ Die Spielenachmittage im Familienzentrum sind nur eines von vielen Beispielen.
Um den Flüchtlingen die Integration zu erleichtern, bildete sich kurz nach ihrer Ankunft eine sogenannte „Willkommens-AG“. Seitdem berät die Gruppe, bestehend aus Vertretern von Vereinen, Kirche, der Stadt und dem Landkreis sowie Sozialarbeitern, darüber, wie die Integration begleitet werden kann. Nachdem bekannt wurde, dass Flüchtlinge nach Teltow kommen, haben sich 25 Ehrenamtliche gemeldet und ihre Hilfe angeboten, erzählt die mittelmärkische Integrationsbeauftragte. „Hinzu kommt sicherlich auch, dass die Lage des Heims sehr günstig ist, da im Nachbarobjekt Feuerwehr und die Polizei sitzen“, sagt Schmidt. Regelmäßig sprechen Stadt und Landkreis auf einer Sicherheitskonferenz mit der Heimleitung und den Sozialarbeitern über Probleme.
Berührungsängste sollten gar nicht erst entstehen. So wurden die Asylbewerber im April zu einem Willkommensfrühstück in das Rathaus eingeladen. Kurze Zeit später waren sie mit Besen und Mülltüte beim Frühjahrsputz dabei. Das habe in der öffentlichen Wahrnehmung eine hohe Akzeptanz geschaffen, ist sich Schmidt sicher.
Das merkt auch der 30-jährige Naeem Shah aus dem Norden Pakistans. „Viele Leute sind hier freundlich, wir fühlen uns in Teltow sicher.“ Zusammen mit anderen Landsleuten sitzt er auf einer der beiden Bänke, die in dem betonierten Hof stehen. Oft halten sie sich auch an einer Bushaltestelle in der Nähe auf. „Dort sei mehr los“, sagt Naeem Shah, der seit drei Jahren in Deutschland lebt und bisher nur geduldet ist. Wenn ältere Menschen aus dem Bus steigen, helfen die Männer ihnen beim Ein- und Aussteigen. „Ich habe auch eine ältere Frau kennengelernt, der ich beim Einkaufen oder beim Aufräumen zu Hause helfe – sie ist wie meine Mutter.“
Reibungslos läuft es aber nicht immer: Erst kürzlich wurde der junge pakistanische Mann richtig wütend. Zum ersten Mal sah er in der Nähe des Heims einen kleinen Zettel, auf dem Schwein und Allah stand. Von Jugendlichen wurde er auch schon angesprochen, was er in Teltow zu suchen hätte. „Zum Glück sind nicht alle so“, sagt er und erzählt, wie häufig Leute aus Teltow vorbeischauen, um sich mit ihnen zu unterhalten. „Sie bringen Kuchen oder Kleidung mit.“
Tatsächlich ist der Keller in dem mit 160 Bewohnern belegten Teltower Wohnheim voll. Dort stapeln sich Kleiderberge und Spielzeug. „Das sind Spenden aus Teltow und Potsdam“, erklärt die Integrationsbeauftragte. Im Gebäude gegenüber sind die Bauarbeiter noch zugange – 70 weitere Plätze soll es dort am Ende geben.
Viele der Bewohner wollen neben dem Deutschkurs, der ihnen vom Landkreis angeboten wird, arbeiten. In Teltow wird derzeit geprüft, ob die Flüchtlinge gemeinnützige Aufgaben erledigen können. Zur Zeit jedoch haben viele der Bewohner alle Hände voll zu tun: Die Vorbereitungen für das Sommerfest am kommenden Freitag stehen an. Die Flüchtlinge wollen für alle Interessierten Speisen ihrer Heimat auftischen. Auch tschetschenische Volkstänze oder somalischer Rap werden geboten.
Aber nicht nur Essen verbindet: Das junge Paar aus Dagestan wird beim Spielenachmittag im Philantow allerlei gefragt. Wie geht es mit dem Deutsch voran, wie fühlt sich der Sohn in der Schule? „Man findet hier ganz einfach über die Kinder Kontakt zueinander“, sagt eine der Mütter. Während sich die Eltern oft fragend anschauen, weil sie noch nicht alles verstehen, bolzt ihr Sohn einfach drauflos. Für die Kinder gilt: Hauptsache die Anzahl der Tore passt, alles andere ist egal.
Musik aus Afrika, Pikantes vom Hindukusch und Süßes aus dem Kaukasus. Kulturell und kulinarisch wird auf dem Sommerfest im Asylbewerberheim am Freitag, dem 6. September, einiges geboten. Gefeiert wird in der Potsdamer Straße 5a in Teltow von 14 bis 18 Uhr.
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