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Das Amtsgericht Potsdam muss nun über das weitere Verfahren entscheiden.

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Aus dem GERICHTSSAAL: Ohne Inventur und Elektronik

In Elsholz konnte Marco F. vom Firmenrechner aus Bauteile verkaufen, die er seinem Arbeitgeber stahl. Die Sache flog auf - und der Schaden ist groß.

Von Enrico Bellin

Stand:

Beelitz - Ein Jahr und zwei Monate Haft auf Bewährung, dazu 80 Stunden Sozialarbeit: So hat das Potsdamer Amtsgericht am gestrigen Donnerstag gegen Marco F.* geurteilt. Der 29-Jährige hatte gestanden, von seinem Arbeitgeber im Beelitzer Ortsteil Elsholz in 19 Fällen zwischen 2011 und 2013 Elektronikbauteile gestohlen und über das Internet verkauft zu haben. Gesamtwert: 12 700 Euro.

F. war als Elektriker bei dem fleischverarbeitenden Betrieb beschäftigt. Er wartete die Anlage, mit der aus tierischem Fettgewebe Schmalz und Griebenmehl für Tierfutter hergestellt wird. „Ich hatte eine schöne Kindheit“, begann der Angeklagte seine Verteidigung. Nach Lehre, Wehrdienst und Monaten auf Montage wollte er 2011 wieder in die Region und begann die Arbeit in Elsholz. Zeitgleich lernte er seine damalige Freundin kennen, beide bekamen einen Sohn. Die Freundin habe Schulden gehabt, wenig Geld verdient. Als Familienvater habe er mit dem Verkauf gestohlener Elektronikteile, die teilweise jeweils mehr als 1000 Euro wert waren, Löcher stopfen wollen.

Keine Kontrollen: Auf Loyalität der Angestellten gehofft

Da das Fettgewebe schnell verarbeitet werden muss, hat der Betrieb stets Ersatzteile auf Lager gehabt, um Ausfallzeiten der Maschine zu minimieren. Kontrollen über den Teilebestand gab es im Betrieb keine, wie der Werksleiter vor Gericht einräumte. „Wir waren von der Loyalität der Angestellten ausgegangen.“ Im Normalfall habe F. nur sagen müssen, welche Teile er brauchte, und die Bestellung ging auf kurzem Dienstweg raus. Wo die Teile verblieben, wurde nicht überprüft.

Ans Licht kam der Diebstahl erst, nachdem Marco F. Anfang 2014 von sich aus gekündigt hatte – die ständigen Nachtbereitschaften mit Fahrten von seiner Wohnung in Potsdam nach Elsholz waren ihm zu viel. „Wir haben einen Sensor gesucht, der eigentlich noch im Lager sein sollte“, so der Werksleiter. Auf dem Rechner von F. haben sie dann mehrere Angebote für die Bauteile gefunden, die F. an Firmen verschickt hat.

Inventar auf Ebay vertickt - vom Betriebsrechner aus

Zudem hatte der Elektriker auch oft die Verkaufsplattform Ebay besucht und Benutzernamen und Passwort auf dem Betriebsrechner gespeichert. Schnell wurde klar, dass F. auch dort mehrere Bauteile verkauft hat. „Da sind wir dann vom Glauben abgefallen“, so der Werksleiter.

Da es keine Inventarliste gab, kann der Betrieb den Schaden bislang nicht genau beziffern. Die Staatsanwaltschaft ging, basierend auf den belegten Verkäufen, anfangs von 18 000 Euro aus. Schnell wurde gestern aber klar: Marco F. hatte zum Teil bei den Versteigerungen selbst mitgeboten, eingeloggt auf das Konto seiner Freundin. Wenn ihm die gestohlenen Teile nicht genug einbrachten, hat er sie selbst ersteigert und später noch einmal angeboten. Vor eineinhalb Jahren hatte sich F. von seiner Freundin getrennt, er wollte ihre Schulden nicht mehr mitfinanzieren. Für den gemeinsamen Sohn teilen sie sich das Sorgerecht. Der Elektriker arbeitet inzwischen im Potsdamer Katjes-Werk.

Der Betrieb hat daraus gelernt

Dass Marco F. rückfällig werden könnte, hält der Staatsanwalt für unwahrscheinlich. Er beantragte eineinhalb Jahre Haft auf Bewährung, die Verteidigung sah eine Strafe von elf Monaten als ausreichend an. Mit ihrem Urteil lag die Richterin also genau zwischen den Forderungen. Die 80 Sozialstunden hat die Richterin auch deshalb verhängt, da der Schaden für den kleinen Betrieb schnell wesentlich größer hätte ausfallen können, wenn die Anlage ausgefallen und das Ersatzteil gerade von F. verkauft worden wäre.

Inwieweit Marco F. seinen früheren Arbeitgeber finanziell entschädigen muss, soll nun zivilrechtlich geklärt werden. Der Angeklagte hatte der Firma bereits ein Vergleichsangebot in Höhe von 4 000 Euro vorgelegt, was deren Anwältin jedoch zu gering erschien. Der Betrieb hat aus dem Fall gelernt und inzwischen elektronisches Warenmanagement installiert.

* Name geändert

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