Potsdam-Mittelmark: „Ohne Kohle, Öl und Atom“
Erneuerbare Energien in Potsdam-Mittelmark: Im Gespräch mit der Grünen-Abgeordneten Elke Seidel
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Erneuerbare Energien in Potsdam-Mittelmark: Im Gespräch mit der Grünen-Abgeordneten Elke Seidel Bis zum Jahr 2015 könnte der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland auf 20 Prozent erhöht werden. Zu diesem Fazit kommt die jüngst vorgelegte Studie der Deutschen Energieagentur (dena), die als Gemeinschaftsarbeit von Netzbetreibern, Wirtschaft und Windkraftbranche erarbeitet wurde. Frau Seidel, liegt der Landkreis Potsdam-Mittelmark in diesem Trend? Wir sind dieser Entwicklung sogar voraus. Schon 2003 wurden in der Mittelmark 13,5 Prozent des verbrauchten Stroms durch erneuerbare Energien selbst erzeugt. Ein Jahr zuvor waren es erst 4,5 Prozent. 2004 ist dieser Anteil noch einmal kräftig gestiegen. Ganz genaue Zahlen werden am 30. April zum Tag der erneuerbaren Energien vorliegen. Ich bin der festen Überzeugung, auch im gesamtdeutschen Maßstab können wir die magischen 20 Prozent sehr viel schneller als 2015 erreichen. Deutschlandweit hat die Windenergie die Wasserkraft jetzt als größte regenerative Energie abgelöst. Ihr Anteil an allen erneuerbaren Quellen beträgt laut Bundesumweltministerium 45 Prozent, der von Wasserkraft 38 Prozent. In Potsdam-Mittelmark sieht das Verhältnis aufgrund der natürlichen Gegebenheiten sicher anders aus. Ja, zur Zeit nimmt auch in Potsdam-Mittelmark die Windkraft mit über 97 Prozent (2003) den ersten Platz ein. Im Landkreis drehen sich bisher 84 Mühlen mit insgesamt 109030 kW installierter Leistung, da scheinen die 70 Photovoltaikanlagen mit insgesamt 239 kW installierter Leistung ein Leichtgewicht zu sein. Fünf Blockheizkraftwerke und vier Wasserkraftanlagen vervollständigen das Bild. Sie treiben u.a. erfolgreich die Gründung von Bürgersolaranlagen voran. Warum machen Sie sich gerade für die Sonnenenergie so stark? Ich verfolge mit allen Aktivitäten die „drei starken E“: Energieeinsparung, Energieeffizienzsteigerung und die erneuerbaren Energien. Gerade in der Solarenergie sehe ich da noch ein riesiges Entwicklungspotenzial. Seit dem Jahr 2000 konnten wir die Erzeugung von Sonnenenergie im Landkreis immerhin schon mehr als verzehnfachen. Ein Meilenstein war die Inbetriebnahme der ersten Bürgersolaranlage am 20. November in Beelitz: Eine 10-kW-Anlage, für die 54 Mitgesellschafter verantwortlich zeichnen. Ähnliche Anlagen entstehen jetzt in Werder, Kleinmachnow, Teltow und in der Gemeinde Seddiner See. Zudem gibt es schon feste Pläne für einen ersten Solarpark im Landkreis. Hat der Solarstrom in Potsdam-Mittelmark eine besonders starke Lobby? Es sieht so aus. Immerhin hat sich der Kreistag im vergangenen Jahr einstimmig zur bundesweiten Imagekampagne „SolarLokal“ bekannt. Potsdam-Mittelmark ist damit in den neuen Bundesländern, der erste „SolarLokal"-Landkreis. Insbesondere wollen sich die Abgeordneten für eine Teilnahme der örtlichen Wirtschaft an der Aktion einsetzen. Das Thema muss jedoch immer wieder auf die Tagesordnung gebracht werden. Ziel ist es, die Einwohner weiter für das Thema der umweltgerechten Energieerzeugung, aber auch für die Energieeinsparung zu sensibilisieren. Können Sie dafür ein gutes Beispiel nennen? Sehr erfolgreich war die Landesinitiative „Helle Schule“. Hier hatten sich die Schüler Gedanken gemacht, wie zum Beispiel Wärmeverluste durch geöffnete Fenster oder falsch eingestellte Heizungssysteme vermieden werden können. Leider gehen die öffentlichen Verwaltungen nicht immer mit gutem Vorbild voran. Gerade in Zeiten knapper Kassen wird dieser Faktor noch viel zu wenig beachtete. Im Winter wird das besonders transparent. Überall wo der Schnee auf öffentlichen Gebäuden besonders schnell wegtaut, stimmt etwas nicht mit der Wärmedämmung. Ich bin überzeugt, dass mehr als 10 Prozent der Betriebskosten auf diese Weise eingespart werden könnten. Zeitweise gab es schon einmal die hauptamtlichen Energiebeauftragten. Die haben ihr Jahresgehalt durch Einsparungen locker eingespielt. Hinzu kommen die Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz mittels Heizkraftwerken, also Kraft-Wärme-Kopplung. Neben „SolarLokal“ werben Sie in diesem Jahr mit einer neuen Initiative unter dem Motto „Wärme von der Sonne“. Worum geht es da konkret? Thema ist die Brauchwassererwärmung durch Sonnenenergie, die neben dem Vorranggesetz für erneuerbare Energien bisher etwas im Schatten stand. Dabei ist sie wirtschaftlich. Ausführliche Informationen dazu gibt es auch zum Tag der erneuerbaren Energien. Für die Aktion „Wärme von der Sonne“ zeichnen 30 Solarinitiativen in der gesamten Bundesrepublik verantwortlich. Die von mir initiierte „ARGE erneuerbare Energien“ wurde dafür ausgewählt und wird am 30. April offiziell starten. Leider fehlt bisher noch jegliche politische Unterstützung für die Solarthermie. Wen wollen Sie damit ansprechen? Wir wollen vor allem auch Privatleute davon überzeugen, dass es sinnvoll ist, sich einen Sonnenkollektor zur Warmwassererzeugung aufs Dach zu bauen. Ein Quadratmeter Solarthermie kostet 250 Euro, vom Bund gibt es 110 Euro je Quadratmeter Zuschuss. Man muss nur den Antrag stellen und erhält dann unkompliziert die Zusage – und dann kann man loslegen. Ein Vier-Personen.Haushalt benötigt maximal 5 Quadratmeter Kollektorfläche. Für die Steuerung der Anlage und Material sind noch mal zwischen 500 und 700 Euro vorzusehen. Hinzu kommt ein ausreichender Speicher von mindestens 300 Liter Fassungsvermögen, doch den sollte man schon bei einer normalen Heizung haben. Insgesamt eine Investition, die sich schnell auszahlt. Wo könnte denn nun Potsdam-Mittelmark im Jahr 2015 stehen, was die erneuerbaren Energien betrifft? 80 Prozent sind realistisch. Unser Ziel sollte es sein, dass sich das Land Brandenburg und der Landkreis Potsdam-Mittelmark einmal zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen versorgen. Energieerzeugung funktioniert auch ohne Kohle, Öl und Atom. Eine Vision muss man schon haben und sie leben.
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