zum Hauptinhalt

Aus dem GERICHTSSAAL: Opfer schwieg aus Angst

Aus Spaßkampf am Glindower See wurde Angst / Tat per Handy gefilmt

Stand:

Werder · Glindow – „So richtig weiß ich das alles nicht mehr“, bekennt Florian F.* (19) auf dem Zeugenstuhl. Es könne schon sein, dass ihn sein Kumpel Marko an der Glindower Badestelle gewürgt, mit dem Kopf mehrfach unter Wasser gestukt und gezwungen habe, einen Ball aus dem See zu holen, obwohl er kaum noch Kraft zum Schwimmen hatte, so wie er es bei der Polizei aussagte. Konkrete Bilder habe er aber nicht mehr vor Augen, meint der Förderschulabgänger. Ein gebrochener Kiefer, Würgemale am Hals, eine Schädelprellung und diverse Hämatome – ärztlich attestiert – künden allerdings von einem groben Angriff auf den Werderaner an jenem 13. Juni vorigen Jahres. Nach langwieriger Befragung erfährt das Jugendschöffengericht schließlich von Florian F.: „Marko hat mich geschlagen, zu Boden geworfen und getreten. Ein Kumpel musste mit dem Handy alles filmen. Ich hatte Angst, mich zu wehren. Dann hat er gedroht, mich totzuschlagen, falls ich Anzeige erstatte.“

Marko M.* (20) auf der Anklagebank legt zu Prozessbeginn ein leicht geschöntes Geständnis ab. Er ist in nervenärztlicher Behandlung, rastet öfter aus. „Meine Kumpels wissen, dass ich dann nicht mehr zu bremsen bin“, erzählt der bereits wegen mehrfacher Gewaltdelikte, Beleidigung, Hausfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit dem Gesetz in Konflikt Geratene. Verwarnungen und Arbeitsstunden fruchteten offenbar nicht. Jetzt kassiert er seine erste Jugendstrafe wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung: Sechs Monate auf Bewährung, muss 200 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer zahlen, zudem die abgebrochene Verhaltenstherapie umgehend fortsetzen. Sie soll ihm helfen, sich in Stresssituationen beherrschen zu lernen.

Auch der Angeklagte besuchte die Förderschule in Werder. Er ist Florian F. allerdings geistig und körperlich überlegen. Das nutzte er nach Ansicht des Staatsanwalts während der Tat skrupellos aus. „Tut mir leid“, versichert der kräftige junge Mann. „Ich wollte nicht, dass die Situation eskaliert.“ Anfangs habe er sich mit Florian F. an der Badestelle einen Spaßkampf geliefert. Dann habe sich dieser abfällig über die mollige Figur von Markos kleiner Schwester geäußert. Da sei er in Rage geraten. „Ich habe ihm eine geknallt, dann noch eine und noch eine. Kann sein, dass ich ihn auch in den Arsch getreten habe. Aber ich habe Florian nicht unter Wasser gedrückt. Und einen Ball hatten wir gar nicht dabei“, beteuert der künftige Baufacharbeiter. „Wie sah Florian denn danach aus?“, fragt die Vorsitzende. „Er hatte rote Stellen am Hals, mehr habe ich nicht gesehen“, so Marko M.. Kurz danach habe er sich bei ihm entschuldigt. „Ich habe ihm gesagt, dass das eine Überreaktion war.“

„Der Angeklagte hat sein Mütchen an dem Opfer gekühlt“, konstatiert die Richterin. „Das Opfer hatte danach solche Angst, dass es die Misshandlung verschwieg. Erst als die Mutter die Male am Hals ihres Sohnes sah, wurde die Polizei eingeschaltet. Und das war auch ganz richtig.“ (*Namen von der Redaktion geändert.) Hoga

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })