Potsdam-Mittelmark: Opferzahlen ungewiss
Neue Untersuchungen zur letzten Weltkriegsschlacht in den Fercher Wäldern: 2200 Tote?
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Schwielowsee/Beelitz - In den Fercher und Beelitzer Wäldern tobte Ende April 1945 die letzte große Schlacht des Zweiten Weltkrieges. Auf einem Gedenkkreuz bei Neuseddin sind 80 000 Todesopfer angegeben. Ein Arbeitskreis „Pro Ferch“ bemüht sich auf Initiative des Historikers Prof. Christian Gizewski um eine Erinnerungsstätte für die Gefallenen dieser Schlacht. Die hohe Zahl der Todesopfer, die noch die der Schlacht auf den Seelower Höhen übersteigen würde, wird inzwischen allerdings angezweifelt.
Der Wittbrietzener Heimathistoriker Günter Käbelmann, der dem Arbeitskreis angehört, hat in Unterlagen des Kreisarchivs Belzig, der Standesämter Michendorf, Schwielowsee und Beelitz die Opferzahlen recherchiert. Danach sind im Bereich der Kämpfe, für die Käbelmann das Gebiet ab Dobbrikow über Rieben, Zauchwitz, Schönefeld, Schlunkendorf, Wittbrietzen, Elsholz, Beelitz und Beelitz-Heilstätten bis hin nach Busendorf-Kanin und Geltow / Ferch berücksichtigt, knapp 2200 Menschen getötet worden. Käbelmann nennt 1020 deutsche und 913 russische Soldaten, dazu 225 Zivilisten.
Nicht eingerechnet hat er die fast 1000 Bürger von Treuenbrietzen, die nach Kriegsende 1945 in einem Racheakt von den sowjetischen Besatzern erschossen wurden, die 127 durch die SS bei Nichel hingerichteten italienischen Zwangsarbeiter und die 23 jüdischen Frauen, die bei einem alliierten Bombenangriff auf den Bahnhof Neuseddin ums Leben kamen. Für Beelitz-Heilstätten nennt er 78 Soldaten und 28 Zivilisten, die im Lazarett ihren Verletzungen erlagen. Dass in den Wäldern um Ferch und Beelitz noch unbestattete Kriegstote liegen, hält Käbelmann für unwahrscheinlich. Allenfalls könnten in der DDR-Zeit einige Gräber eingeebnet und überbaut worden sein.
Als Sprecher des Arbeitskreises „Pro Ferch“ würdigte Prof. Gizewski gegenüber den PNN die Aktivitäten Käbelmanns. Die ermittelten Zahlen stellten aber nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit dar. Zum einen sei die Zahl der russischen Opfer, die bis zu zwei Drittel über denen der deutschen Soldaten gelegen habe, von sowjetischen Behörden heruntergerechnet worden. Dagegen spreche schon der nach Kriegsende an der Michendorfer Chaussee angelegte Russische Soldatenfriedhof mit über 5200 Grabstätten. Auch was die Zahl der während der Schlacht in den Fercher Wäldern getöteten deutschen Soldaten und der zivilen Opfer betrifft, gebe es eine Dunkelziffer.
Käbelmann und Gizewski stimmen überein, dass weitere Recherchen zur Opferzahl das Anliegen des Arbeitskreises „Pro Ferch“ nicht beeinträchtigen, für die Toten eine würdige Erinnerungsstätte zu schaffen. Erhart Hohenstein
Erhart Hohenstein
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