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Eigentlich doch erholsam. Das Geltower Havelufer mit Kirche.

© Thomas Lähns

Potsdam-Mittelmark: Palmen an der Bundesstraße

Mit zwei Jahren Verzögerung ist nun auch Geltow ein „Staatlich anerkannter Erholungsort“: Direkt an der Bundesstraße 1 in Geltow stehen sogar Palmen.

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Schwielowsee - Für einen kurzen Moment und mit etwas Fantasie hört man das Meer rauschen und schmeckt eine salzige Brise. Dann ist der karibische Augenblick aber auch schon vorbei: Gleich nach dem Geschäft, in dem man die Palmen mieten kann, kommt ein Bäcker, dann ein Autohandel, ein Discounter, ein Baumarkt. Statt der imaginären Meeresluft gibt es Autoabgase, statt Urlaubsflair Betriebsamkeit einer märkischen Ortschaft.

Dass Geltow sich seit Samstag „Staatlich anerkannter Erholungsort“ nennen darf, hat dann auch weniger mit den Miet-Palmen zu tun, als mit dem Umstand, dass die beiden benachbarten Ortsteile Caputh und Ferch den Titel schon seit zwei Jahren führen dürfen. Als ungerecht empfanden es nicht wenige Geltower, dass ihnen das Prädikat vorenthalten werden sollte. Immerhin war man mit den beiden Nachbarorten im Jahr 2002 zur Großgemeinde Schwielowsee vereint worden, und gemeinsam wurde das Erholungsort-Siegel beantragt.

Ungleich behandelt zu werden erschien den Geltowern nicht logisch und schon gar nicht fair. Allen voran zeigte sich Schwielowsee-Bürgermeisterin Kerstin Hoppe (CDU) erzürnt. Und insgeheim dürfte sie am Ende vielleicht sogar dankbar gewesen sein, sich im Kampf um gleiches Recht für alle als Einheits-Bürgermeisterin bewähren zu können. Triumphierend sagte sie dann auch am vergangenen Samstag: „Dass jetzt alle drei Orte auf der Urkunde stehen, ist das, was wir wollten.“

Die B 1 war schuld, dass Geltow nicht zeitgleich mit Caputh und Ferch als „Staatlicher Erholungsort“ anerkannt wurde. Der für die Titelvergabe zuständige Landesfachbeirat des Wirtschaftsministeriums konnte sich nicht vorstellen, dass man sich in einem Ort, durch den eine vielbefahrene Bundestraße führt, auch erholen kann. Die Geltower freilich sahen und sehen das anders. „Wir haben hier sehr erholsame Orte“, findet Ortsbürgermeister Heinz Ofcsarik (Bürgerbündnis) und verweist auf einen, den die Brandenburger allzu gerne nennen, wenn es um Heimatidylle geht: Theodor Fontane. „Schon der hat die Gaststätte an der Baumgartenbrücke zu schätzen gewusst“, sagt Ofcsarik.

Das habe sich dann auch der Delegation des Fachbeirates gezeigt, als die sich bei ihren Ortsvisiten vom Geltower Erholungswert überzeugen sollten. Außerdem bekamen sie das Handweberereimuseum, den Kirchpark, die Kirche mit dem schicken Dach und die hübsche Uferpromenade zu sehen. Nach den Worten von Bürgermeisterin Hoppe muss zudem das Team vom Landhaus Geliti überzeugend gewesen sein. „Das Landhaus hat gezeigt, dass Hotellerie und Gastronomie auf die touristischen Entwicklungen eingestellt sind“, lobte Hoppe.

Schließlich erwies sich nach einjährigen Messungen, dass an der B 1 gar nicht so viele Abgase in die Luft geblasen werden und die Schadstoffbelastungen unterhalb der Grenzwerte liegen. Eine Grüne Welle sorgt seit dem Beginn der Messungen für eine rasche Ortsdurchfahrt, und nachts darf nur noch Tempo 30 gefahren werden.

Gerhard Ringmann vom brandenburgischen Wirtschaftsministerium anerkannte: „Der Ort hat sich gut entwickelt.“ Mit der Urkunde überreichte der Abteilungsleiter für Wirtschaftsförderung auch die Möglichkeit, künftig von Besuchern eine Kurtaxe zu erheben sowie Fördermittel für die weitere touristische Entwicklung zu beantragen.

Zudem verriet er, dass er schon in den frühen 90er Jahren seinen ganz eigenen Beitrag für eine Geltower Attraktion leistete. Als Büroleiter des damaliges Landesvaters Manfred Stolpe wurden ihm vom Kommandanten der in Brandenburg stationierten GUS-Streitkräfte die zwei bronzenen Tierfiguren der Baumgartenbrücke angeboten. Die Schmuckelemente waren 1910 für die erste stählerne Brücke aufgestellt und vor deren Sprengung im April 1945 von der Roten Armee demontiert worden. Vor ihrem Abzug wollte man die Statuen zurückgeben – aber nicht umsonst. „Ich habe sie gegen einen alten, von der Polizei ausrangierten VW-Bus ausgelöst“, erzählte Ringmann.

So viel Landes-Engagement werden sich die Geltower womöglich auch in Zukunft wünschen, wenn es um den Erholungswert in ihrem Ort geht. Denn am Himmel über dem Schwielowsee zieht Ungemach auf, was auch auf zahlreichen Plakaten im Ort zu lesen ist. „Mach mit beim Volksbegehren“ steht da drauf. Viele Bewohner am Schwielowsee befürchten, dass es mit der Ruhe und Idylle durch den Fluglärm des neuen Hauptstadtflughafens bald vorbei ist.

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