Von Henry Klix: Partylaune in Wusterwitz
Im mittelmärkischen Müllskandal hat Bernd R. erfolgreich „Klimapflege“ in einer Amtsverwaltung betrieben
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Amt Wusterwitz - Die Termine hatte „Müllpate“ Bernd R. im Kalender notiert: Wenn der Kontrolleur bei einer der drei „Bürgermeisterdeponien“ im Amt Wusterwitz vorbeischaute, hatten seine Leute genug Zeit, den illegalen Haus- und Gewerbemüll, den er in Erdlöcher kippen ließ, abzudecken. An sich sollten die alten DDR-Dorfkippen vom gröbsten Abfall befreit, rekultiviert und mit Bauschutt verfüllt werden. Der Ex-Polizist schaffte neuen Müll heran, über 100 000 Tonnen.
Ins Amt Wusterwitz hatte er gute Drähte, regelmäßig schaute er vorbei. Bauamtsmitarbeiterin Birgit M. – offizielle Kontaktfrau des Amtes zur Unteren Bodenschutzbehörde – soll von ihm in den Jahren 2005 bis 2007 wöchentlich 250 Euro erhalten haben. Wenn sich der Kontrolleur aus Belzig bei ihr anmeldete, soll sie es an den 55-jährigen Entsorgungsunternehmer weitergegeben haben. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt wegen Bestechung, Bestechlichkeit und Beihilfe zu Umweltstraftaten, Strafmaß: sechs Monate bis fünf Jahre Gefängnis.
„Wenn der Termin stand, wurde nicht verkippt“, erinnert sich Vorarbeiter Frank N., der selbst Beschuldigter des Müllskandals ist und mit der Justiz unter dem Eindruck kooperiert, dass R. „weiter mit mir spielt“. Bei der inzwischen gekündigten Bauamtsmitarbeiterin habe sein Chef erkannt, dass sie Geldnöte hat – und die Chance ergriffen. N. schildert Bernd R. als „Mensch, der nichts zu verschenken hat und andere gut manipulieren kann“. Das tat er auch mit Amtsdirektorin Liebener.
Frank N. war am Dienstag Schlüsselzeuge in einem ersten Korruptionsprozess gegen seinen früheren Chef. Die beiden Korruptionsfälle – Birgit M. und Gudrun Liebener – sind aufschlussreiche Nebenschauplätze zum Hauptverfahren, das beim Landgericht anhängig ist: Bernd R. wurde im Frühjahr wegen „besonders schwerer Umweltstraftaten“ angeklagt, der Prozesstermin steht noch nicht fest. Am Dienstag im Amtsgericht Brandenburg (Havel) wurde beleuchtet, wie Bernd R. „Klimapflege“ in der Verwaltung und den Dörfern rund um Wusterwitz betrieb, indem er Anwohnern die kostenlose Schuttentsorgung sicherte, hier und da seine Technik zur Verfügung stellte oder dem Sportverein Rogäsen einen Rasentraktor spendierte. Die Staatsanwaltschaft sah auch im durch Amtsdirektorin Gudrun Liebener vermittelten Trekker für 3800 Euro eine Vorteilsnahme. Richter Christian Schack fand aber nicht erwiesen, dass Bernd R. damit ausschließlich „das Diensthandeln des Amtes“ beeinflussen wollte. Anders im Fall einer Weihnachtsfeier, die Bernd R. den Mitarbeitern des Amtes Wusterwitz am 20. Dezember 2005 spendiert hatte. Amtsdirektorin Liebener muss deshalb mit dem Makel leben, käuflich gewesen zu sein.
Weihnachtsfeiern gab es jedes Jahr, normalerweise durch die Kollegen finanziert. Am Vortag dieser Feier erschien Bernd R. im Amt und wedelte, Brigitte M. an der Seite, mit Geldscheinen, angeblich als Dankeschön für die tollen Schrotterlöse in Altbensdorf. Die Deponie hatte er im Mai 2005 übernommen und hoffte, auch die Aufträge für Zitz und Rogäsen zu bekommen. Das hatte ihm Liebener für den Fall zugesagt, das es in Altbensdorf klappt. Bernd R. „sanierte“ völlig unentgeltlich, andere Angebote wurden durch die Amtsdirektorin nicht eingeholt: So wunderte sich Richter Christian Schack, wieso vom Amt nicht zum Beispiel bei der Firma Terra Urbana nachgefragt wurde, die einige Jahre zuvor ein ähnliches Angebot unterbreitet hatte und später in Beetzsee Deponien rekultivierte?
Auch die Umstände der Geldübergabe für die Weihnachtsfeier gaben ihm zu denken: „Wenn jemand mit Bargeld im Amt erscheint und sich erkenntlich zeigen will, der nur in Hinsicht auf die Deponiegestaltung in Altbensdorf Kontakt zum Amt hat, ist klar, dass ein Zusammenhang mit dem Diensthandeln besteht“, so der Richter. Mit der Frage, wie die Übergabe am besten abzuwickeln ist, hatte sich Liebener an ihre Kämmerin gewandt. Die sah keine Chance, das Geld zu verbuchen. Ein Warnsignal, das Liebener überhörte, die gebotene Transparenz ging den Bach runter. Schließlich sollte das Geld von Bernd R. bar beim Griechen in Plaue gezahlt werden, wo die Party stieg. Für die versprochenen 750 Euro wurde noch eilends zwei Kabarettisten engagiert. Den Kollegen wurde durch Liebener vorab erklärt, wem sie dafür zu danken haben. Nur eine Mitarbeiterin und Zeugin des Prozesses hat dabei geschluckt, so Richter Schack. „Ich wundere mich, dass es nicht mehr waren.“
Liebener zeigte sich derweil erkenntlich, indem sie bei Presseterminen für R. eintrat – und die Verträge für Zitz und Rogäsen unterschrieb. Der „Müllpate“ hatte damit zwei weitere Goldgruben an Land gezogen. Die Sache mit dem Haus- und Gewerbemüll hatte in Altbensdorf zwei Monate vor der Weihnachtsfeier ihren Anfang genommen, so Vorarbeiter Frank N.: „Richtig los ging es, nachdem die Deponie Fohrde geschlossen wurde.“ Seit Juni 2005 war das Deponieren unvorbehandelter Abfälle in Deutschland verboten, Hausmüll darf erst nach der Verbrennung deponiert werden. Die Kapazität an Sortier- und Verbrennungsanlagen reichte längst nicht, der Müllpreis kletterte, R. witterte wohl ein Geschäft. Bei den Zulieferern soll die thermische Entsorgung abgerechnet worden sein, die Staatsanwaltschaft schätzt die Gewinnspanne pro Tonne auf 30 Euro. Bernd R. investierte in Forst- und Landwirtschaftsflächen.
Bei der Amtsdirektorin blieb er gerngesehener Gast, selbst nach ersten Zeichen, dass etwas schief läuft: Auf den Deponien war von 5 Uhr morgens bis 22 Uhr abends Betrieb, im Dunkeln wurde ohne Licht gearbeitet. Bei einer Bürgerversammlung im Sommer 2006 in Zitz mit 30 bis 40 Teilnehmern gab es Beschwerden über illegale Fällungen, den nächtlichen Lärm und – den Müllgeruch. Amtsdirektorin Liebener hörte weg, schwärmte vom grünen Vorzeigeobjekt Altbensdorf und ließ die Chance verstreichen, ihre Lauterkeit unter Beweis zu stellen. Als ein Anwalt von Bernd R. aufgebrachten Bürgern mit Verleumdungsklagen drohte, schwieg sie.
Selbst die Müllprobe, die der Zitzer Feuerwehrchef von einem Lkw sichern konnte, der vor dem Depot parkte, blieb folgenlos – trotz Anzeige im Landratsamt. Bemerkenswert: Chefkontrolleur Bernd Rockstroh hatte den Entsorgungsunternehmer in mehreren Gemeinden des Kreises für die Rekultivierung der Bürgermeisterkippen selbst empfohlen. Sechs der so vermittelten Dorf-Kippen und eine Kiesgrube soll der „Müllpate“ für seine schmutzigen Geschäfte genutzt haben.
Amtsdirektorin Liebener kam, weil geständig und nicht vorbelastet, für die Weihnachtsfeier wegen Vorteilsannahme mit einer Geldstrafe von 4000 Euro davon, Bernd R. wegen Vorteilsgewährung mit 9000 Euro. Brigitte M. verweigerte in diesem Verfahren die Aussage. In den kommenden Prozessen dürfte es härter zur Sache gehen. Im Visier der Ermittler sind inzwischen auch die Lieferanten.
Landrat Wolfgang Blasig (SPD) erklärte gestern zu den Verfahren, dass der Kreis die Kontrollmechanismen auf den Deponien verschärfen, Zyklen verkürzen, und auch unangekündigte Kontrollen durchführen wird. Er hofft, dass eine angemessene Bestrafung der Müllsünder abschreckt. Hinsichtlich der Hinterlassenschaften von Bernd R. sei man in der Beweisaufnahme, um dann zu entscheiden, wie der Millionenschaden zu beheben ist. Gegen die Wusterwitzer Amtsdirektorin führt der Landrat ein Disziplinarverfahren. „Das Gerichtsurteil wurde zur Kenntnis genommen und ist jetzt zu bewerten“, so Blasig. Es bestehe – bis hin zur Amtsenthebung – eine breite Palette. „In diesem Fall wäre ich aber sehr vorsichtig, von Amtsenthebung zu sprechen.“ (mit ldg)
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