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Der pensionierte Wissenschaftler Georg Büldt aus Jülich bei Köln hat die Patenschaft über das Mausoleum des Berliner Industriellen Wilhelm Bödefeld übernommen. Nach seinem Tod will er dort selbst beigesetzt werden.

© Michael Urban/ddp

Von Beatrice George: Patengrab und eigene Ruhestätte

Privatengagement rettet wertvolle Mausoleen und Grabstätten auf dem Südwestkirchhof vor dem Verfall

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Stahnsdorf - Die Berliner Gräfin Clara von Bernstorff und der Berliner Psychologe Andreas Terhedebrügge haben sich nie kennengelernt. Dennoch verbindet sie eine Patenschaft. Die Gräfin ruht seit mehr als 70 Jahren auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof, und Andreas Terhedebrügge hat vor wenigen Tagen die Verantwortung für die Pflege ihres Grabes und des Marmorgrabsteines mit Engelsrelief und Bernstorff-Bildnis übernommen. Nach seinem Tod will er dort selbst beerdigt werden.

Andreas Terhedebrügge ist einer von derzeit 31 Grabpaten, die sich auf Deutschlands zweitgrößtem Friedhof engagieren. „Sie investieren Zeit und Geld in Mausoleen, Grabwände und Grabsteine, die sonst verfallen würden“, sagt Olaf Ihlefeldt, der Verwalter des 100-jährigen Friedhofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Im Gegenzug können sich die Paten auf dem Friedhof in der Stätte, die sie pflegen, später selbst beisetzen lassen.

Auf dem 206 Hektar großen parkähnlichen Areal gibt es über 100 000 Grabmäler. Stummfilm-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931), Zeichner Heinrich Zille (1858-1929) und der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid (1874-1944) ruhen unter anderen dort. „Mehrere hundert Grabstellen benötigen dringend Pflege und Instandsetzung“, sagt Ihlefeldt. Eine Summe in Millionenhöhe müsse dafür veranschlagt werden. Bereits an die sechs Millionen Euro hat die Kirche seit der Wende investiert.

Während für die mit Pharaonen verzierte Gruft des Berliner Ägyptologen Albert Harteneck noch dringend ein Pate gesucht wird, der etwa 50 000 Euro in den Erhalt des Grabmals mit dem Glasfußboden investiert, hat der pensionierte Wissenschaftler Georg Büldt aus Jülich bei Köln kürzlich mit der Pflege „seines“ Mausoleums begonnen. In der Gruft mit Säulenbau des 1913 gestorbenen Berliner Industriellen Wilhelm Boedefeld will er sich eines Tages bestatten lassen. „Ich war schon lange auf der Suche nach einer passenden Stelle“, sagt Büldt. Ausschlaggebend war für ihn, dass sein Sarg in einer Kammer aufgebahrt werden kann. „Mir gefällt die Vorstellung, dass meine Hinterbliebenen bei mir sein und auf meinem Sarg ein Picknick veranstalten können“, sagt Büldt. Über eine kleine Wendeltreppe geht es zwei Meter hinunter in die gekachelte und gut erhaltene Grabkammer des Boedefeld-Mausoleums. Einzig derzeit notwendige Investition dort: Ein Zweitschlüssel für die Gruft, denn das Original behält Olaf Ihlefeldt. Andere Paten investieren zwischen 500 und 50 000 Euro in eine Grabstätte.

Auch Andreas Terhedebrügge denkt über die Zeit nach seinem Tod nach. „Ich wollte einen schönen Ort finden, an dem mich meine Söhne besuchen kommen können“, sagt der Berliner. Zunächst wollte er in Stahnsdorf eine Grabstelle auf 20 Jahre pachten, bis er von der Patenidee hörte. Das Bernstorff-Grab hat er während eines Spazierganges entdeckt. „Das marmorne Engelsrelief unter schattigen Bäumen entspricht meiner Vorstellung von einem Ort der ewigen Ruhe“, erzählt er. Der Arbeitsaufwand ist auch bei diesem Grab gering: „Der Grabstein braucht eine ordentliche Säuberung und das Grab eine Bepflanzung“, sagt Terhedebrügge.

Das Grabmal des Paten bleibt Ihlefeldt zufolge Eigentum des Friedhofs, und alle Arbeiten an den Bauten werden nur in enger Abstimmung vorgenommen. Nach der Bestattung eines Paten kann den Alt-Inschriften auch eine neue hinzugefügt werden, oder eventuell eine neue Grabplatte eingelassen werden. „Dabei bleibt der Altbestand aber immer sichtbar“, sagt Ihlefeldt. Grab-Paten sind erst zu Pacht-Zahlungen verpflichtet, wenn die Beisetzung stattgefunden hat.

Für die 20-Jahres-Pacht eines Doppelgrabes werden jährlich 102 Euro fällig, beim Erbbegräbnis auf 60 Jahre eine Pacht von elf Euro pro Quadratmeter und Jahr. „Das ist immer noch sehr viel günstiger als auf den meisten städtischen Friedhöfen“, sagt Verwalter Ihlefeldt. Die ersten Paten in Stahnsdorf waren das Ehepaar Heike und Ludger Pieper aus Berlin. Sie retteten mit 100 000 Euro das von dem Architekten Max Taut 1920 expressionistisch gestaltete Betongrabmal der Kaufmannsfamilie Julius Wissinger. Doch der Südwestkirchhof könne noch mehrere hundert weitere Interessenten gebrauchen.

Beatrice George

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