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KulTOUR: Petzows Steine

Freimaurer von einer Kaehne durch den Ort geführt

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Werder · Petzow - Zweierlei war kürzlich in Bezug auf die Idylle Petzow festzuhalten: Erstens ist das dominierende Gebäude im Park kein Schloss, sondern „ein herrschaftliches Gutshaus, nicht mehr und nicht weniger“, zweitens hat der Flecken einen Geist, der Kaehne heißt, oder auch „von Kaehne“. Wofür sonst, als für die Umgestaltung dieses Dörfchens in einen Teil der Potsdamer Kulturlandschaft, sollte Carl Friedrich August 1840 von Friedrich Wilhelm IV. in den Adelsstand erhoben worden sein? So mutmaßte die in Potsdam lebende Kunsthistorikerin Pia Kühn-von Kaehne, als sie eine kleine Gruppe bereits Eingeweihter kürzlich durch das Anwesen ihrer Vorfahren führte.

Große Teile ihrer Familienchronik waren bei Kriegsende verloren, aus den Resten stellte sie eine reich illustrierte Magisterarbeit zusammen, die Basis dieses ganz besonderen Rundgangs durch „Klein Potsdam“ im rauen Herbst. Als eingeweiht dürfte die Freimaurerloge „Teutonia zur Weisheit“ gelten, welche zum Termin lud – Carl Friedrich August war ja einer der ihren, und das ganz besondere Interesse für die grüngelben Ziegelsteine aus Petzow und Glindow wirklich nicht zu übersehen.

Zuerst die Turmbesteigung mit Fernblick, dann eine kurze Einführung in der Schinkelkirche. Die Kaehnes, in den dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts zugezogen, hatten schon 1721 die königlichen Ziegeleien an der Grellbucht von Friedrich Wilhelm I. gepachtet, 1753 kam unter Peter Kaehne eine eigene am Schwielowsee hinzu. Zusammen mit dem bereits 1648 erworbenen Lehnschulzengut, steter „Landvermehrung“ und dem 1803 übertragenen Amt eines generalbevollmächtigten Domänenpächters die wirtschaftliche Basis für den Aufstieg der Familie.

Eine Flurbereinigung 1819 (Separation) nun war Carl Friedrich August Anlass zur „Verbesserung der Landeskultur“. In nur 20 Jahren entstand entlang der alten Dorfstraße, was den Besucher bis heute erstaunt, unverputzte Pächterhäuser aus weniger wertvollen Ziegeln eigener Produktion (mit Schlacke und Schmolz verziert) in einer Flucht mit Gutshaus und ehemaliger Dorfkirche; die neue auf dem Grellberg gibt es erst seit 1842. Am alten Dorfkrug, wo auch Fontane wohnte, erinnern mittelalterliche Zitate an den „Geist der Romantik“, vor dem „tudorgotischen“ Hoftor findet man Stufengiebel, der Bergfried (Taubenturm) wurde 1948 abgerissen.

Die Parkseite des Herrenhauses ist nach Ansicht der Kunsthistorikerin rein neogotisch, indes sich sein unzugängliches Pendant eher „verspielt“ gibt. Unter Riesenbäumen der wieder ausgegrabene Gedenkstein von 1837 in Kaehnes eigener Sache. Über die inzwischen die restaurierte Familiengruft nebenan haben die Enkel noch immer Gewalt, nicht über den Rest: Mehrmals klagte die Führerin, der neue Investor verstünde den „Geist Petzows“ nicht. Der hieß für sie eben Kaehne, doch handelte der wirklich anders als der jetzige?

Am Park hat wohl Lenné mitgewirkt, Schinkel am Schloss „vielleicht“, jedenfalls sei die Gesamtanlage „Potsdam im Kleinen“: So entspreche das Waschhaus dem Grünen Haus am Heiligen See, das Schilftürme-Tor dem Nauener in Potsdam vor seiner Erneuerung. Dort, wo ein Stein an die Erschießung eines Antifaschisten durch einen Kaehne erinnert, ging man kommentarlos vorbei.

Petzow als Gesamtkunstwerk mancherlei Geister bis heute: Lob der sparsamen Ziegelkultur, Lob der innovativen Familie – und der Rest? Vielleicht sieht das in hundert Jahren ganz anders aus. Die Freimaurer jedenfalls schwiegen.

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