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KulTOUR: Pilgerzug zu Effi Briest
Gedenkveranstaltung zum 60. Todestag der Freifrau von Ardenne auf dem Südkirchhof
Stand:
Stahnsdorf - Fontane „geht“ immer und überall, seine berühmte Romanfigur Effi Briest offenbar auch. Warum sonst pilgerten am frostigen Samstagnachmittag ungefähr sechzig Mitmenschen auf den eiskalten Südwestkirchhof zu Stahnsdorf, wo der Förderverein zu einer kleinen Feierstunde eingeladen hatte ?
Moment, Eingedenken für eine Romanfigur, die hier im tiefen Wald begraben liegen soll ? Natürlich nicht. Viele wissen es, manche nicht: Hinter dem Namen „Effi Briest“ verbirgt sich niemand anders als die Baronin Elisabeth von Ardenne. Trotz der gescheiterten Ehe mit Rittmeister Armand Leon von Ardenne (1848-1919) und ihrer Affäre mit dem Amtsrichter und Maler Emil Hartwich ist die gute Frau steinalt geworden. Sie starb 1952 mit 98 Jahren.
Dorthin also. An ihrer letzten Ruhestätte mit der Tafel „Ehrengrab Land Berlin“, ein gutes Stück hinter der Stabholzkirche norwegischen Vorbilds, repetierte Vereinsvorsitzender Olaf Ihlefeld noch einmal kurz ihr Leben, und wie Fontane es in seinem 1895 erschienenen Roman spiegelte. Als Gattin eines gesellschaftlich angesehenen Mannes hatte sie sich in einen anderen verguckt, ihr eigener kam dahinter und duellierte den Konkurrenten 1886 nieder. Ein Jahr später wurde die Ehe geschieden, Ardenne nahm die beiden gemeinsamen Kinder zu sich. Sie selbst wurde fortan gesellschaftlich wie familiär ignoriert – „die anderen“ sind eben immer die besseren Menschen!
Doch was war hier, auf dem Areal „Trinitatis“, wo so viele alte Grabsteine aus dem Unterholz herauszuzwachsen scheinen, eigentlich genau zu ehren? Ihr Alter, die „literarische Unsterblichkeit“ oder das, was der Feminismus aus dieser Privat-Tragödie macht? Man weiß es nicht genau. Dafür weiß man, dass sie zu den Promis des Friedhofs gehört, und Manfred von Ardenne ihr Enkel war. Auch nicht wenig.
Nachdem das höchst sachkundige Publikum den Weg zurück zur hölzernen „Kapelle“ gefunden hatte, hob der zweite Teil dieser kleinen Gedenkveranstaltung an. Die Sopranistin Ute Beckert und Uta Baumann am E-Piano brachten heitere Texte, Gedichte sowie Liedvertonungen des Neuruppiner Wanderers und Giganten zu Gehör, so intensiv, dass man fast vergaß, mit welcher Mühe dieses hölzerne Kirchlein in der Eiseskälte anzuwärmen war. Und dann brachte es dieser Fontane auch noch fertig, den Winter zu begrüßen, na brr! Es folgten Vertonungen heute meist vergessener oder wenig gespielter Komponisten wie Hugo Kaun, Karl Witting und August Schaeffer. Letzterer setzte ja bekanntlich „Fontis“ weltberühmte Mär des Herrn von Ribbeck auf Ribbeck in Noten. Eingepackt „in Großmutters Pelze“, brachte die Sopranistin fast alle Parts mit bewundernswerter Leichtigkeit und ansteckender Freude rüber, sogar die Serie marschgestützter Balladen vom ollen Ziethen, von Derfflinger, und wie sie alle hießen. Beim Lied vom „Fischermädchen“ waren sogar zwei Vertonungen nacheinander (Hugo Kaun, Ernst Mielck) hören. Manch Komponist beglückte den Dichter ja mit unverhofften Notengrüßen. Er pflegte dann meist zu erwidern, er sei „selber unmusikalisch“.
In einem hübschen, aber wenig spekakulären Programm, dem man freilich etwas mehr Rhythmus wünschte, hatte man alle und alles zusammen: eine echte Baronin und ihr literarisches Konterfei, den märkischen Dichterfürsten und seine Komponisten. Fontane „geht“ immer, auch im Kältemonat Hornung, Feber sonst genannt.
Gerold Paul
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