Potsdam-Mittelmark: Politiker sollen in die Schule
Werders Gymnasiasten bereiten sich auf die Kommunalwahl vor und äußern Wünsche an die Kandidaten
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Bei der Kommunalwahl am 25. Mai gibt es eine Premiere: Erstmals dürfen Jugendliche schon ab 16 Jahren wählen. In einer Serie nähern wir uns der Frage, was Jugendliche mit der Wahl verbinden.
Werder (Havel) - Jugendliche interessieren sich für Politik. Auch wenn das Fach für Abiturienten nicht mehr Pflicht ist, sitzen am Montagmorgen 23 Teenager im Alter zwischen 16 und 17 Jahren im Politikkurs der elften Klasse von Annelie Meyer am Werderaner Ernst-Haeckel-Gymnasium. Auf dem Lehrplan steht die Vorbereitung der Schüler auf die Kommunalwahl.
„Eigentlich habe ich noch gar nicht dran gedacht, dass ich jetzt auch wählen darf“, sagt Peter aus der ersten Reihe. Die Absenkung des Wahlalters findet er aber richtig, da sie vielen interessierten Gleichaltrigen die Möglichkeit zur Beteiligung biete. Mit dieser Meinung ist Peter nicht allein. Annelie Meyer gibt ihren Schülern Thesen des Sozialwissenschaftlers Klaus Hurrelmann vor, denen zufolge ein fehlendes Wahlrecht die Jugendlichen in eine passive Rolle drängt. Außerdem fühlten sich Politiker nicht verpflichtet, die Altersklasse zu vertreten, da sie von den Jugendlichen ja auch keine Stimme bekommen können.
An die Werderaner Politiker haben die Schüler bereits konkrete Wünsche. So sollte dringend in die technische Ausstattung des Gymnasiums investiert werden, da es bisher weder Beamer noch interaktive Tafeln, sogenannte Whiteboards, gibt. Auch der nicht mehr benutzbare Sportplatz oberhalb des Schulgebäudes sollte zügig hergerichtet werden. „Die Politiker sollten sich die Schule mal selbst anschauen und sehen, dass nicht alles so funktioniert, wie sie denken“, bringt Vanessa die Wünsche der Schüler auf den Punkt.
Das Wahlprozedere zur Kommunalwahl haben bereits alle verstanden. „Jeder hat drei Stimmen, die er entweder einem Kandidaten geben oder auf mehrere verteilen kann“, erklärt Matti die Fachbegriffe „kumulieren“ und „panaschieren“. Auch die Funktionen einer Kommunalwahl haben die Schüler herausgearbeitet. Sie sichert die Teilhabe am System, indem man mit der Wahl bestimmter Parteien auch über die Verwirklichung von Großprojekten wie der Werderaner Blütentherme entscheiden kann. Außerdem sollen durch den Urnengang klare politische Mehrheiten gebildet werden und die Diskussionen vor der Wahl helfen bei der politischen Willensbildung in der Bevölkerung.
Trotz der zusammengetragenen Aufgaben der Wahl wissen am Ende der Stunde jedoch nicht alle Schüler, ob sie tatsächlich am 25. Mai wählen gehen. „Ich glaube nicht, dass ich mit meiner einzelnen Stimme noch wirklich etwas bewirken kann“, sagt Philip stellvertretend für die Skeptiker. An den Vorstellungen der vorherrschenden Parteien werde sich durch seine Wahl nichts ändern. Philip erhält mit seiner These große Zustimmung im Klassenzimmer. Laut Annelie Meyer ist das ein gutes Beispiel für die sogenannte „Normalisierungsthese“. „Einige Menschen gehen davon aus, dass sich in Politik und Gesellschaft alles eingespielt hat.“ Demzufolge müsste auch nichts mehr verändert werden. Enrico Bellin
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