Potsdam-Mittelmark: Premiere für die Kellermeister
Winzerfamilie Lindicke keltert den Werderaner Wein erstmals in eigener Regie – eine Zäsur
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Werder (Havel) – Ganz behutsam werden die Trauben vom Gabelstapler in die sogenannte Entrapp-Maschine geschüttet – sie trennt die Beeren vom Stielgerüst. In einem zweiten Schritt entsteht die Maische - daraus wird dann der Traubensaft gepresst. Es sind Momente voller Freude aber auch Anspannung, die der Betreiber des Werderaner Wachtelberges, Manfred Lindicke, am Dienstag durchlebt. 1996 hat er den gut sechs Hektar großen Weinberg übernommen und ihn überregional bekannt gemacht. Bisher wurden die Trauben alljährlich in das sachsen-anhaltinische Landesweingut Kloster Pforta gebracht, wo sie zu Qualitätsweinen verarbeitet wurden. Jetzt hat die Winzerfamilie Lindicke auch das in die eigenen Hände genommen. Auf ihrem Obsthof am Plötziner Eck an der B1 ist in den vergangenen Monaten eine eigene Kelterei entstanden. Fast eine halbe Million Euro hat die Familie dafür investiert, unterstützt mit Fördermitteln der Europäischen Union.
Es ist zweifellos eine Zäsur in der Werderaner Weinbaugeschichte. Erstmals kann der Wein vom Wachtelberg tagfrisch ohne lange Transportwege verarbeitet werden. „Ich verspreche mir davon einen weiteren Qualitätszuwachs, zumal es in letzter Zeit auch Defizite bei der Zusammenarbeit mit Kloster Pforta gegeben hat“, sagt Lindicke. Die Premiere in der eigenen Kelterei lief erfolgversprechend und genau nach Zeitplan. Am Montag wurden auf dem Wachtelberg gut neun Tonnen Müller-Thurgau-Trauben gelesen. Ihr Mostgewicht beträgt 78 Grad Oechsle – ein guter Zuckergehalt für hiesige Verhältnisse. „Wir können uns auf einen guten Jahrgang 2012 freuen“, sagt Lindicke.
Bis der neue Wein jedoch in die Flaschen kommt, werden noch einige Monate vergehen, muss der Traubensaft noch mehrere Tanks durchlaufen. Zuerst werden die Schwebstoffe abgesondert, dann wird der Saft etwa zwei Wochen gären, schließlich kann er in einem letzten Tank bis zum März reifen – immer bei konstanten Temperaturen zwischen 16 und 18 Grad. Insgesamt stehen im neuen Kelterhaus 30 glänzende Tanks mit einer Gesamtkapazität von 80 000 Litern.
Neben den eigenen Trauben soll dort auch der Wein vom Phöbener Wachtelberg ausgebaut werden. Dieses kleine Weinanbaugebiet bei Werder ist kürzlich vom Gastronomen Jens-Uwe Poel übernommen worden, mit dem Lindicke kooperiert. Jetzt wurde Poel Anteilseigner der neuen Kelterei. In drei bis vier Jahren sollen zudem auch die ersten Trauben vom wiederbelebten Werderaner Weinanbaugebiet auf dem Galgenberg in die neue Kelterei geliefert werden. Wie berichtet will Werders Weinbauförderverein in Zusammenarbeit mit Lindicke dort künftig auf 1,4 Hektar Wein anbauen.
Auf dem Werderaner Wachtelberg baut Lindicke mittlerweile sechs Weißwein- und drei Rotweinsorten an. Der andernorts obligatorische Riesling fehlt in der Palette. „Ich will nicht das machen, was andere besser können“, sagt Lindicke. Für den Anbau im Werderaner Stadtgebiet würden sich vor allem pilzwiderstandsfähige Sorten eignen. Überzeugen will der Winzer mit dem Ausbau von schlanken und filigranen Weinen. „Sie sollen mit ihrem Aroma glänzen und nicht durch ihren Zuckergehalt“, sagt er.
Nach dem Müller-Thurgau sollen der rote Regent und der weiße Sauvignon Blanc vom Werderaner Wachtelberg in die Tanks kommen. Einen genauen Termin für ihre Lese kann Lindicke am Dienstag noch nicht nennen. „Das werden die nächsten Tage zeigen – es soll ja einen Wetterumschwung geben, den müssen wir abwarten.“ Ein Hagelschlag kann schnell alles zunichte machen – mit diesem Wissen muss der Winzer ebenso wie die Obstbauern leben. Hagen Ludwig
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