Potsdam-Mittelmark: Proteste bei Nextira-One
Rund 300 Mitarbeiter aus dem ganzen Bundesgebiet auf Kundgebung vor dem Teltower Firmensitz
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Teltow - Sie fordern weder höhere Löhne noch kürzere Arbeitszeiten: Die rund 300 Mitarbeiter des Kommunikationsanbieters Nextira-One, die sich Montagmittag lautstark vor dem deutschen Hauptsitz der Firma in der Teltower Rheinstraße versammelt haben, verlangen lediglich, dass alles beim Alten bleibt – nämlich so wie es im vergangenen Juni in einer Tarifvereinbarung beschlossen wurde. Stattdessen soll nun ein Sparprogramm bevorstehen.
Wütend über den „Vertragsbruch“ sind am Montag nicht nur die 120 protestierenden Teltower Mitarbeiter: Aus dem gesamten Bundesgebiet sind Delegationen angereist, insgesamt nochmal 180 Menschen. Gemeinsam trotzen sie mit Trillerpfeifen gut anderthalb Stunden der Kälte, um ihrem Unmut Luft zu machen. Sie alle haben dafür Urlaub genommen oder bauen Überstunden ab. Ihren Namen wollen die meisten lieber nicht in der Zeitung lesen.
Allein 35 Angestellte aus Mannheim und Frankfurt (Main) waren um Mitternacht nach Teltow aufgebrochen. Sie wollen der Geschäftsführung klarmachen, dass die Belegschaften der sieben deutschen Standorte hinter den Forderungen der Tarifkommission stehen. „Ohne unsere Unterstützung steht die Kommission auf verlorenem Posten“, meint einer.
Seit rund zehn Jahren verzichte er schon auf Weihnachts- und Urlaubsgeld, um Arbeitsplätze zu erhalten und Ausbildungsprogramme für junge Mitarbeiter zu ermöglichen. Was tatsächlich mit dem Geld passiert sei, wisse er nicht. Auch ein Mitarbeiter aus Hamburg findet, dass das Maß jetzt voll ist: „Seit fünf Jahren arbeiten wir 38 Stunden pro Woche, bekommen nur 35 bezahlt.“ Zwischen 2 500 und 3 000 Euro schenkten die Mitarbeiter somit jährlich der Firma.
IG-Metall und Nextira-One-Geschäftsführung hatten sich im vergangenen Juni geeinigt, dass die Angestellten auf Tariferhöhungen verzichten. Im Gegenzug hatte die Firmenleitung zugesichert, bis Ende dieses Jahres keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen und die sieben Standorte in Deutschland zu erhalten. Jetzt aber sollen zehn Millionen jährlich aus dem Gehaltsbudget gespart werden. Andernfalls drohe die Geschäftsführung mit Insolvenz, heißt es. „Wir haben unseren Teil der Vereinbarung gehalten, dasselbe erwarten wir von der Firmenleitung“ so Benno Eberl, bei der IG-Metall für Nextira-One zuständig.
Das Unternehmen hatte seinen deutschen Hauptsitz erst Ende 2010 von Berlin-Tempelhof nach Teltow verlegt, wo es 360 Mitarbeiter beschäftigt. Bundesweit arbeiten 850 Menschen für den Serviceanbieter, der die Planung, Installation und Wartung von Kommunikationsnetzwerken übernimmt – etwa für das Bundeskanzleramt. Nach eigenen Aussagen erwirtschaftet das international agierende Unternehmen mit Hauptsitz in Paris einen Jahresumsatz von rund einer Milliarde Euro. Erst auf der Cebit in Hannover vor knapp einem Jahr wurde von der deutschen Firmenleitung verkündet, dass die Geschäfte bestens liefen und die Auftragseingänge um ein Viertel gestiegen seien. Doch kurz vor Weihnachten hatte die Geschäftsführung neue Sparpläne angekündigt: Auf zehn Millionen sollen die Angestellten verzichten – ohne Gegenleistung. Auch der zum 1. Januar dieses Jahres zugesagte Eintritt in den Arbeitgeberverband ist nicht erfolgt.
Daneben macht eine andere Entwicklung den Mitarbeitern Sorge: In Teltow wurde inzwischen eine zweite Firma gegründet: Die „Nextira-One International Service & Projekt GmbH“. Viele fürchten, dass der Betriebsrat aus der Neugründung herausgehalten werden soll und Mitarbeiter dorthin versetzt werden. „Das sind offene Fragen, auf die wir Antworten wollen, bislang aber weicht uns die Geschäftsführung aus“, sagt ein Vertriebsmitarbeiter aus Hamburg.
Am heutigen Dienstag soll es in Berlin eine weitere Gesprächsrunde zwischen Gewerkschaft und Geschäftsführung geben. Zur Betriebsversammlung, die vor Demobeginn am Montag in Teltow stattfand, sei keiner der Firmenverantwortlichen erschienen, sagte Stefanie Jahn von der IG-Metall. Sollte es kein Einlenken geben, werde man ab Mai in den Warnstreik gehen. Bis dahin sind die Mitarbeiter laut geltendem Tarifvertrag in der Friedenspflicht. Nextira-One Geschäftsführer Bernd Ruppert wollte noch keine Stellungnahme zu den Protesten abgeben.
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