zum Hauptinhalt

KulTOUR: Pückler am Kirschbaum

Offene Türen bei Manfred Rößler und Berndt Watzke

Stand:

Michendorf - Eigentlich sieht das ja aus wie eine Grabstatt: Schlanke Skulpturen aus Holz markieren die Vertikale, die Metallkonstruktion mit ausgebreiteten Armen scheint nach dem horizontalen Raum zu greifen. Wo man die Hände vermutet, wirbeln zwei einsame Vogelfedern im Wind. Auf dem schwarzen Keramiksockel steht nur ein Wort, Ikarus.

Hier also, im Skulpturengarten des Bildhauers Manfred Rößler, ist das langgesuchte Grab des ungehorsamen Daidalos-Sohnes zu finden, genau im Grenzland zwischen Langerwisch und Wilhelmshorst. Ein Hortus der Wunder: An der Hauswand Pauseback Bacchus und der berühmte Pfau der Hera, ein Stück davor die witzige „Brandenburg-Stele“ mit Michels Schlafmütze, dem Landtag sehr zum Kauf empfohlen, ein Wesen, welches zwar gerade aus der Erde wächst, sich dann aber hündisch-demütig an den Erdboden schmiegt, weil das Weib daneben über ihn herrscht.

Solche und andere Geschichten weiß Bildhauer Manfred Rößler aus seinem Erdendasein zu erzählen. Am Wochenende gab es zum zwölften Male „Aktionstage Offene Ateliers“, wie das Kulturamt vom Landkreis seine Erfolgsveranstaltung zu nennen pflegt. Zweiundsechzig Damen und Herren stellten sich und ihre Hand- und Denkwerke in zweiundfünfzig Ateliers oder Gärten vor, Kaffee und Kuchen gratis, manchmal sogar Live-Musik und andere Überraschungen.

Bei Manfred Rößler war es nicht nur das Grab von Ikaros, sondern auch ein erdgebundener Vogel, der sich zum schwerfälligen Erstflug rüstet, oder ein roter Kardinal als Silhouette, vielleicht Goya entlehnt. Natürlich auch ein großes Medaillon unterm Kirschenbaum, den Fürsten Pückler in klassischer Manier als Jüngling zeigend. Klar, Manfred Rößler versteht sich ja als bildender und angewandter Künstler mit starker Affinität zu architekturgebundenen Arbeiten. Der Landschaftsfürst plus abgeblühter Sauerkirsche ist natürlich eine Metapher für sich, genau wie die geflohene Sonne der Ikaros-Skulptur.

Seitab der still gewordenen Hauptstraße von Michendorf wohnt der Grafik-Designer Berndt Watzke. Sein Beruf nährt ihn so, dass er sich „Kunst und Objekte“ ganz nach Gusto leisten kann. Ein vielseitiger, fröhlicher Mensch, künstlerisch auf gleich fünf Säulen stehend: Computergrafik, Papiercollagen, Fotobildbearbeitungen, Prägedrucke mit der Fünftonnenpresse aus dem 19. Jahrhundert im Hinterhaus sowie Plastik und Objekte. Er experimentiert viel, steht dabei aber immer zur Hälfte unter der Fuchtel der rechnerischen Vernunft, während der andere nach der Freiheit der Kunst sucht.

Davon zeugen seine Monotypien genauso wie Prägedrucke, welche er mit Tusche oder Aquatinten verziert. „Ob er liegt“ ist ein großflächiger Dämon, aus Myriaden von Pixeln hergestellt und trotzdem wie ein Oktopus zerfließend. Berndt Watzke schafft sich Farbhorizonte mit nägelumsäumten Sonnen, Fotospielwerk als Nachbildungen „der Natur“, und wiederholt dabei immer wieder, wie frei er in seinem Schaffen und Tun dabei sei. Frei vielleicht, doch hatte man schon bald den Eindruck, er könnte, rein künstlerisch natürlich, um vieles mutiger sein.

Offene Ateliers sind eben zuerst Begegnungen mit künstlerischen Zeitgenossen, da wird viel geschaut und gelernt und geredet. Schade nur, dass Beelitz-Stadt außer in Stücken und Körzin gar nichts zu bieten hat, trotz des jüngst gegründeten Kunstvereins. Na ja, beim nächsten Mal vielleicht. Gerold Paul

Gerold Paul

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })