Potsdam-Mittelmark: Punkrock, Softeis, Sonnenbrand
Das zwölfte „Rock in Caputh“ wurde für 3600 Besucher zu einem hochsommerlichen Vergnügen
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Schwielowsee - Es ist ja immer ein bisschen Risiko dabei, wenn man in Sachen Festivalsaison den Vorreiter machen will. Immerhin ist es zum meteorologischen Sommeranfang noch über einen Monat hin, und was das Wetter für Kapriolen schlagen kann, war in den Wochen und Tagen zuvor ja zu erleben. Doch das zwölfte „Rock in Caputh“-Festival wurde für insgesamt 3600 Besucher zu einem hochsommerlichen Vergnügen. Die Hauttyp-I-bis-II-Kandidaten durften sich bereits am Freitag über gewisse Rötungen beklagen, alle anderen ereilte dieses Schicksal spätestens am Samstag. Aber dafür wurde man hervorragend entschädigt: Die Veranstalter von „CoolTour 05“ hatten dieses Jahr – wieder in bewährter Zusammenarbeit mit dem Berliner Radiosender „StarFM“ – ein neues Konzept ausprobiert, indem zwei Bühnen auf dem Festivalgelände aufgebaut wurden. Neben der großen Bühne stand ein Stück weiter weg nun eine kleinere; so fanden praktisch ununterbrochen Konzerte statt und man sparte sich das lästige Warten während der Umbauphasen. Sicherlich war es manchmal ein wenig undankbar für die ein oder andere Band, auf der kleinen Bühne zu spielen, da alles ein wenig beengter und vor allem leiser war, aber Veteranen wie „Hasenscheisse“ schien das gar nichts auszumachen.
Was an Bands in der ziemlich grobgefassten Kategorie „Rock“ aufgestellt wurde, kann man einzeln gar nicht alles erwähnen. Von der Nachwuchsband bis zu altgedienten Profis wurde da zur Gitarre gegriffen, und von einigen Bands wurde man ehrlich überrascht. Und gewisse Combos gehören ganz einfach zur Grundausstattung dieses Festivals: Die Werderaner „Dönerpunks“ scheinen den musikalischen Erfolg mittlerweile richtig zu wollen und sorgten für aufrichtige Begeisterung. Und dass dem offensichtlich nicht ganz so ernst gemeinten Aufruf, Freibier zu erhalten, wenn man splitternackt auf die Bühne kommen würde, von zwei besonders Mutigen auch noch gefolgt wurde, erhöhte ihren Kultstatus gewaltig. Das Freibier gab es natürlich!
Überhaupt waren es dieses Jahr ganz besonders die punkigen Klänge, die das Festival dominierten. Als die Berliner „Kotzreiz“ am Freitag auf der Bühne standen, mochte man einfach nur aufatmen: Nahm man die letzten Jahre aus der Sicht des deutschsprachigen Punkrocks doch eher als Trallala-Flaute wahr, sah man endlich mal wieder eine Band, die einen regelrecht aus den Schuhen katapultierte. Unfassbar, wie viel Stimmung die Jungs rüberbrachten! Da ist er wieder: Punkrock mit intelligenten Texten, der mitreißen konnte, ohne nur die 90er zu kopieren. Definitiv das Highlight des ganzen Festivals. Aber auch Bands wie „Montreal“ brauchen sich nicht zu verstecken: Was da im Gewand des amerikanischen Punk à la „NOFX“ und „Blink182“ gebracht wurde, sorgte definitiv für Ausgelassenheit. Und der ganze Freitag explodierte schließlich, als „Die Toten Ärzte“ die Bühne enterten.
Der Samstag wurde da ein wenig rockiger, nicht zuletzt, weil die traditionelle StarFM-Sternfahrt „Ride'n'Rock“ wieder in Caputh endete: Da dominierten Leder und lange Haare das Festival, und es gab Preise für das älteste Motorrad (eine 54er AWO) oder den breitesten Hinterreifen zu gewinnen – und das erste Mal Arbeit für die Security: Neben Bierflaschen und Kettenspray wurde der ein oder andere Schraubenzieher aus dem Gepäck gefischt. Währenddessen fand man die längste Schlange – natürlich! – am Softeis-Stand. Wer da seinen Job am Grill fristen musste, war eigentlich nicht zu beneiden; über mangelnde Kundschaft konnte sich jedoch niemand beklagen. Auf der Bühne bekam man dazu etwa die „Killerpilze“ zu sehen. Kaum zu glauben, dass diese Teenie-Band nun schon seit zehn Jahren auf der Bühne steht. Allerdings hätten viele ihr nicht hinterhergetrauert, wenn sie beizeiten wieder in der Versenkung verschwunden wäre.
Da zeigte der „Berliner Lenny Kravitz“ Joachim Deutschland doch viel besser, dass Deutschrock auch ganz anders gehen konnte, und zwar mit Charakter. Ja, und dass „Hasenscheisse“ mit brandneuem Album im Gepäck die ungekrönten Könige werden würden, war eigentlich auch zu erwarten: Die Potsdamer sind mit ihren Trash-Balladen derzeit voll auf der Überholspur und eine der innovativsten Kapellen überhaupt. Großes Hurra!
So ein gelungenes Sommerfestival macht eigentlich nur noch Lust auf mehr Open-Airs. Und da stehen dieses Jahr ja noch einige ins Haus.
Oliver Dietrich
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