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Potsdam-Mittelmark: Putzritual wackelt
Weil Kita-Erzieher die Zahnpflege teilweise nicht mehr kontrollieren können, wird deren Abschaffung erwogen
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Potsdam-Mittelmark - Dreimal Zähneputzen am Tag, zweimal in der Familie und einmal nach dem Mittagessen in der Kita – für viele Kinder im Landkreis soll dies das Standardprogramm sein, um Karies im Kindesalter einzudämmen. Jetzt aber wird im Amtsbereich Brück vermehrt darüber diskutiert, ob das mittägliche Zähneputzen wegfallen sollte. Der Grund: Dass alles hygienisch abläuft, sei nicht mehr überall zu kontrollieren.
Eine Kita hat sich dazu schon 2011 durchgerungen, drei weitere diskutieren es in ihren Kita-Ausschüssen. Als die Mitarbeiter der Kita Borkheide im Oktober 2012 eigenmächtig das Zähneputzen abgesetzt hatten, beschwerten sich Eltern. Nun steht die Zahnpflege am Mittag bis auf Weiteres wieder auf dem Programm.
Die Kinder hätten die Bürsten untereinander getauscht und „anderweitig mit den Zahnbürsten gespielt“, sagte Lars Nissen, Leiter für Soziales und Verwaltung im Amt Brück. Unterbinden lässt sich die Fantasie der Kinder aus seiner Sicht kaum. Teilweise 15 Kinder putzen sich gleichzeitig die Zähne – zuviel für Erzieher, die aufpassen und natürlich helfen sollen. Thema ist dies aber erst seit etwa zwei Jahren. Viele Kitas erleben einen großen Andrang, räumlich platzen sie aus allen Nähten. In die Einrichtung in Borkheide gehen jetzt rund 80 Kinder statt 52 vor zwei Jahren. Die christliche Kita in Brück, vor zwei Jahren neu gebaut, sei mit 60 Kindern bereits ausgelastet und baue jetzt ein Obergeschoss, sagt Nissen. Zwar wurden und werden auch entsprechend viele Erzieher eingestellt. Aber: „Eine kleine Gruppe lässt sich mit weniger Leuten anders steuern als eine große Gruppe mit vielen.“ Nicht überall im Amtsbereich ist dies aber ein Thema: In Golzow beispielsweise entlasten zwei Bürgerarbeiter die Erzieher.
Vorreiter war die Brücker Kita „Planegeister“, die schon 2011 die mittägliche Mundhygiene abschaffte. Seitdem, sagt Nissen, sei der Krankenstand der Kinder dort geringer. Einen Zusammenhang behauptet er nicht, spricht stattdessen von einem „reinen Eindruck“. Bald wird auch in drei weiteren Kita-Ausschüssen, unter anderem in Borkheide, darüber diskutiert. Das gesetzlich vorgeschriebene Gremium besteht zu gleichen Teilen aus Vertretern des Träger, der Beschäftigten und der Eltern, es entscheidet über pädagogische und organisatorische Angelegenheiten.
Bei der Kreisverwaltung ist man nicht glücklich über die Diskussion. Der zahnärztliche Dienst des Kreises verweist darauf, dass das Erlernen des Zähneputzens eng verbunden sei mit der motorischen und geistigen Entwicklung des Kindes. Die beste und einfachste Zeit zum Aufbau von Gewohnheiten seien die ersten drei Lebensjahre. In der Gruppe spornen sich die Kinder gegenseitig an, ältere helfen jüngeren Kindern, die die Putztechnik noch nicht so gut beherrschen. Nahezu zeitgleich äußerte sich auch die Landeszahnärztekammer. „Regelmäßiges Zähneputzen sollte genauso fester Bestandteil des Kindergartenalltags sein wie das Händewaschen vor dem Essen“, heißt es in einer Mitteilung. Darin wird vorgeschlagen, Zahnbürsten mit Symbolen zu versehen, damit sie den Kindern zugeordnet werden können. Wichtig sei, dass Eltern und Erzieher bei der Hygiene an einem Strang ziehen.
Und die Zahnhygiene hat sich in den vergangenen zehn Jahren zum Besseren entwickelt, Potsdam-Mittelmark kann im landesweiten Vergleich die besten Zahlen vorweisen (siehe Kasten). Agnes Lehmann, Teamleiterin des zahnärztlichen Dienstes des Landkreises, sieht diese Erfolgsbilanz in Gefahr. Man würde tendenziell vermuten, dass die Zahlen schlechter werden, sagte sie den PNN. „Wir haben Super-Werte, darauf darf man sich nicht ausruhen.“
Einmal im Jahr gibt es in Grundschulen und Kitas eine Reihenuntersuchung, im vergangenen Jahr haben Lehmann und ihr Team dabei knapp 11 000 der rund 12 000 Kinder begutachtet. In den Kitas gibt es zusätzlich eine Anleitung. Lehmann geht davon aus, dass die Kinder unter Aufsicht ihre Zähne putzen. Argumente, dies sei organisatorisch nicht möglich, hält sie für vorgeschoben. Keinen wissenschaftlichen Beleg sieht sie dafür, dass durch das Einstellen des Zähneputzens in der Kita die Zahl der Erkältungen abnehme: Eine Tröpfcheninfektion könne auch an anderer Stelle in der Kita auftreten.
Das Robert-Koch-Institut in Berlin hält bei der „Besorgnis der Eltern von Kita-Kindern über eine mögliche Weitergabe von Krankheitserregern“ eine wöchentliche Reinigung in der Spülmaschine für möglich. Eine Idee, die im Kreis noch nicht bekannt war.
Ignmar Höfgen
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