Potsdam-Mittelmark: Qigong im Schlosspark
Kathrin Reinecke verknüpft die Petzower Idylle mit chinesischem Lebensgeist
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Werder (Havel) - Friedlich ist der Petzower Schlosspark am Sonntagmorgen. Kein Auto donnert über die Straße, kein Geschnatter stört die Ruhe. Der Lärm scheint vor den Toren des Parks geblieben zu sein. Wer aufmerksam lauscht, meint sogar zu hören, wie sich Grashalme im Wind wiegen. Nur dann und wann schlendern Sonntagsspaziergänger vorbei. Doch auch sie – so scheint es – führen ihre Gespräche im Flüsterton.
Heute bleiben die Ausflügler für einige Minuten stehen, bevor sie weiter schlendern. Sie gucken verwundert. Auf der Wiese zwischen Schwielowsee und dem Haussee des Schlosses, führt Kathrin Reinecke (43) ihre Qigong-Übungen auf. Sie stört nicht die Ruhe, sie ist kein Eindringling in der idyllischen Kulisse. Im Gegenteil: Ihre Bewegungen verschmelzen mit der Natur, sie ist ein Teil der Landschaft. Anmutig breitet sie ihre Arme aus, nimmt einen tiefen Atemzug und senkt sie wieder. „Der Adler breitet seine Schwingen aus“ – so heißt dieses Element.
Qigong ist eine chinesische Meditations-, Konzentrations- und Bewegungsform zur Kultivierung von Körper und Geist. „Qi“ bedeutet auf Chinesisch Lebensenergie, Vitalität, Lebendigkeit. „Gong“ heißt beharrliches Üben. Qigong ist ein Teil der Chinesischen Medizin, doch ist sie nicht nur für Kranke da. Die Bewegungskunst hat vor allem eine präventive Wirkung. Nach Ansichten der chinesischen Medizin fließt die Lebensenergie Qi durch bestimmte Energiebahnen im Körper, die Meridiane. Fließt das Qi frei, dann fühlen wir uns voller Kraft. Ist der Fluss von Qi beeinträchtigt, ist das Gefühl der Trägheit da. Staut sich das Qi gar, so haben wir Schmerzen. Mit Qigong wird der Fließen der Lebensenergie angeregt, sodass man gesund und vital bleibt.
„Die Übungen bringen Beruhigung auf der ganzen Ebene“, erzählt Kathrin Reinecke. „Man bekommt eine andere Körperwahrnehmung, sogar eine andere Weltsicht.“ Seit sie Kind ist, interessiert sich die Fitnessetrainerin aus Werder für die chinesische Kultur. Vor zwei Jahren fing sie mit Qigong an und lässt sich gerade zur Lehrerin ausbilden. Seitdem sei sie viel gelassener, ruhiger und großzügiger mit sich und mit anderen geworden, erzählt Reinecke. Auch ist ihr Verhältnis zu Natur ist viel intensiver geworden, sie selbst weniger selbst bezogen.
Dass man die Chinesische Bewegungskunst auch in Deutschland braucht, davon ist Reinecke überzeugt: „Hier haben alle irgendwo ein Wehwehchen“, sagt sie. Jeder zweite hat Rückenprobleme, viele leiden an Stress – selbst die Jugendlichen. Die Wenigsten seien mit sich im Einklang. Deswegen hat sich Reinecke entschieden, an Qigong-Unterricht auch im Schlosspark anzubieten.
An vier Sonntagen im Juli, immer um neun Uhr morgens, will sie allen Interessierten Qigong näher bringen – kostenlos. Ein bis anderthalb Stunden soll eine Übungseinheit dauern. Kommen können alle: „Qigong kennt kein Alter“, sagt Reinecke. Wer in seinen Bewegungen eingeschränkt ist, kann sich ein Hocker mitbringen – die Übungen kann man auch im Liegen und Sitzen ausüben. Kinder können entweder mitmachen oder sich am Badestrand nebenan austoben.
Es ist halb zwölf, fast Mittagszeit. Die Sonntagsspaziergänger machen sich langsam auf dem Rückweg. Kathrin Reinecke beendet ihre Übungen, atmet ein, wieder aus und hält kurz inne. Dann läuft sie Richtung Ausgang, lässt den Schwielowsee und das Schloss hinter sich. Vor den Toren des Parks wartet die Hektik. Hier ist es still. Ruhe. „Wir haben zu wenig davon.“
Näheres unter Telefon (03327) 732 550.
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