Rattenalarm in Sputendorf: Ratten im Keller, Löcher im Dach
In gemeindeeigenen Mehrfamilienhäusern in Sputendorf herrschen desaströse Zustände. Die Mieter reparieren das Nötigste, damit die Häuser nicht komplett verfallen. Wann saniert wird, ist unklar.
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Stahnsdorf - Kerstin Röseler-Kesting zieht in einem tiefen Zug an ihrer Zigarette. Die zierliche Frau sitzt zusammen mit ihren Nachbarn in einer Laube vor ihrem Haus. Endlich ist jemand da, der sich ihre marode Wohnung anschaut. Röseler-Kesting reicht es. Sie ist wütend auf ihren Vermieter, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft WGT in Teltow und auf das Stahnsdorfer Rathaus. „Die machen hier seit Jahren nichts, wenn sie kommen, machen sie nur Fotos und gehen wieder.“
Ratten im Keller, feuchte Wände, morscher Dachstuhl
Röseler zeigt auf das Gebäude hinter sich, hier wohnt sie mit ihrer Familie. Die einzigen Bewohner sind sie nicht: Im Keller würden Ratten hausen, durch die kaputten Kellerfenster regne es hinein, bei Starkregen laufe der Keller voll. Die Feuchtigkeit zieht in die oberen Wohnungen. Feucht ist es auch im morschen Dachstuhl, die Dachpappe ist verbraucht. Wann sie einst aufgesetzt wurde, weiß keiner mehr. Obwohl einer der Mieter bereits mehr als 50 Jahre in dem Backstein-Ensemble mitten in Sputendorf wohnt.
Drei Häuser und eine Scheune stehen auf dem weiträumigen Gelände am Ernst-Thälmann-Platz. Früher sollen Tagelöhner die Räume bewohnt haben, die auf den Gutshöfen im Umkreis arbeiteten, sagen die Bewohner. Heute wirkt das alte Ensemble auf den ersten Blick idyllisch – doch der Schein trügt.
Schimmel in der Küche, wacklige Toilette
Röseler-Kesting läuft die Treppenstufen hinauf in ihre Wohnung, sie zeigt auf schwarze Flecken an der Küchenwand: Schimmel. Auch das Bad sieht gammlig aus, die Toilette wackelt. Will ein Erwachsener die Badewanne nutzen, schauen die Beine ab den Knien heraus, so klein ist die Wanne. Das Wohnzimmer sieht hingegen gut aus, ein Blick an die Decke zeigt nur kleine Risse. „Wir müssen hier alles selber machen, sonst würde das Ganze zusammenfallen.“ Trotz der vielen Eigenarbeit bleibe es „richtig eklig“.
Seit Jahren pocht die Mieterin gemeinsam mit den noch verbliebenen dreizehn weiteren Nachbarn darauf, dass endlich etwas passiert. Wann das letzte Mal saniert wurde? Die Nachbarn schauen sich fragend an. Eine der ältesten Bewohnerinnen, die ihren Mietvertrag 1965 abgeschlossen hat, zuckt mit den Schultern und sagt: „Wahrscheinlich um 1900.“
Die Mieter pochen seit Jahren auf Renovierungen - umsonst
Die Mehrfamilienhäuser gehören der Gemeinde Stahnsdorf, die wiederum lässt den Bestand seit zwei Jahren über die Teltower WGT verwalten. Auf PNN-Nachfrage heißt es dort: „Der Verwaltungsauftrag umfasst akute Kleinreparaturen, nicht aber die Planung oder Realisierung von Vorhaben der Sanierung beziehungsweise die komplexe Rekonstruktion von Gebäuden. Diese Aufgaben wurden und werden von der Gemeinde Stahnsdorf wahrgenommen“, so WGT-Chef Michael Kuschel.
Die Wohnungsbaugesellschaft habe nach Übernahme der 17 Wohnungen im Jahr 2014 – davon stehen derzeit drei leer – auf ein Sanierungskonzept hingewiesen. Laut Kuschel bräuchten nicht nur die kommunalen Wohnungen in Sputendorf eine Generalüberholung, marode Bausubstanz gebe es auch in Güterfelde, Schenkenhorst und Stahnsdorf. Kuschel bestätigt, dass Sachverständige sich in Sputendorf umgeschaut haben. „Ich gehe davon aus, dass die Gemeinde in Kürze Entscheidungen treffen wird, um den Zustand maßgeblich zu verbessern.“
Rathaus verteidigt sich: Sanierungsrückstau wegen Schuldenabbau
Aus dem Stahnsdorfer Rathaus klingt das jedoch anders. Auf die Frage, warum dort jahrelang nichts passierte, heißt es: „Die Gemeinde hat bei der Entwicklung eines Gewerbegebietes Anfang der 1990er-Jahre 20 Millionen Euro Verbindlichkeiten angehäuft. Im Jahr 2015 wurde die letzte Million Schulden zurückgezahlt“, so Rathaussprecher Stefan Reitzig. Durch die Schulden sei ein erheblicher Sanierungs- und Ausbaustau in den Kitas und Schulen entstanden, dessen Abbau erst in den kommenden zwei Jahren bewältigt werden könne. Gleichzeitig gebe es auch einen millionenschweren Rückstau bei Ausbau und Sanierung der Verkehrsinfrastruktur, so Reitzig.
Aus Sputendorf habe man zudem bisher keine Beschwerden gehört: So habe dem Rathaussprecher zufolge der Sputendorfer Ortsbeirat bisher immer andere Vorhaben wie den Bau eines Radweges nach Ludwigsfelde oder den Bau eines Bürgerhauses priorisiert. „Sanierungsbedarf an Wohnungen wurde bislang nicht für die Haushaltsplanung angemeldet.“
Bürgermeister Albers erhielt schon 2014 Auftrag, sich zu kümmern
Dennoch will Bürgermeister Bernd Albers (BfB) jetzt aktiv werden: Für alle 21 in einem Gutachten bewerteten Häuser betrage der Sanierungsaufwand 4,5 Millionen Euro. Um die Häuser am Ernst-Thälmann-Platz in Sputendorf zu sanieren, seien es rund 2,1 Millionen Euro. „Hier ist eine schnelle Entscheidung der Gemeindevertretung erforderlich, wie dem nun bekannten Sanierungsbedarf Rechnung getragen werden kann“, so Albers. Das Gutachten hat seine Verwaltung in Auftrag gegeben, um die Bausubstanz der kommunalen Wohnungen zu prüfen. Nun soll nächste Woche darüber beraten werden, sagt Albers. Am Mittwoch ist Finanzausschuss, eine Tagesordnung war bis Redaktionsschluss noch nicht auf der Webseite der Gemeinde zu finden.
Albers Aktionismus nimmt die CDU/FDP-Fraktion dem Bürgermeister nicht ganz ab. Immerhin sei Albers bereits Ende 2014 von den Gemeindevertretern beauftragt worden, sich um den Zustand der gemeindeeigenen Wohnungen zu kümmern. „Seither ist so gut wie nichts passiert. Der Zustand vieler Wohnungen ist besorgniserregend“, so CDU-Fraktionschef Daniel Mühlner. Er hatte sich im Gegensatz zu Albers bereits vor Ort ein Bild von der Lage gemacht. „Ich war betroffen über das, was ich dort gesehen und von den Mietern sowie dem Mieterverein Teltow gehört habe.“ Unter solchen Umständen könne man Menschen nicht jahrelang wohnen lassen, sagt Mühlner. Seine Fraktion will nun, dass der Bürgermeister bis Herbst dieses Jahres ein Sanierungskonzept vorlegt und das nötige Geld im Haushaltsplan für 2017 einstellt.
Ob die marode Bausubstanz noch so lange hält, ist fraglich. Jahrzehntelanges Nichtstun räche sich nun, klagen die Mieter. Sie vermuten, dass man ihr Zuhause so verkommen lasse, damit sie freiwillig ausziehen würden. Doch das, da sind sich Kerstin Röseler-Kesting und ihre Nachbarn einig, werde nicht passieren. Trotz der vielen Probleme sei es noch immer idyllisch und die Mieten günstig.
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