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Aus dem GERICHTSSAAL: Räuber mit Psychose?

Kleinmachnower wird psychiatrisch begutachtet

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Kleinmachnow / Potsdam – Die Beute war gering, der Schock beim Opfer groß. 17 Euro hatte Enrico E.* (28) einem Jugendlichen am 10. Mai in der Kleinmachnower Karl-Marx-Straße geraubt. Er drückte ihm eine Schreckschuss-Pistole ins Gesicht, soll dem Verängstigten mehrere Faustschläge versetzt haben. Sein 15-jähriger Komplize – so die Anklage – forderte das Handy des jungen Mannes. Als der sich weigerte, sein Mobiltelefon herauszugeben, soll das Duo ihm mindestens zehn Schläge gegen Kopf und Oberkörper verpasst haben. Das Opfer erlitt Schwellungen und Hämatome. Enrico E. hatte zur Tatzeit einen Alkoholpegel von 2,6 Promille. Die Staatsanwaltschaft ging zu seinen Gunsten von erheblich verminderter Schuldfähigkeit aus.

„Die Waffe war nicht geladen. Und geschlagen habe ich nicht, glaube ich jedenfalls“, erklärte der wegen schweren Raubes Angeklagte gestern vor dem Landgericht. „Tut mir leid, was da passiert ist.“ Auslöser sei der Alkohol gewesen, außerdem habe er gekifft. Seit zehn Jahren trinke er regelmäßig, zunächst Bier, später zusätzlich Wein, Wodka und Whisky. Cannabis brauche er zur Beruhigung, erzählte Enrico E. „Aber sonntags ist Ruhetag.“ Doch ohne Alkohol ginge es ihm schlecht. Da leide er unter Schweißausbrüchen und Übelkeit. Zehn Entgiftungen habe er bereits hinter sich, auch eine drei Monate dauernde stationäre Entwöhnungstherapie, so der Hartz IV-Empfänger. Schon am Tag der Entlassung habe er erneut getrunken.

Der Angeklagte und sein Mittäter – er muss sich demnächst vor einer Jugendstrafkammer verantworten – waren kurz nach der Tat festgenommen worden. Seit dem 11. Mai sitzt Enrico E. im Brandenburger Gefängnis in U-Haft. Jetzt ist er zwangsweise trocken und auch clean.

„Ich war eine Woche lang im Haftkrankenhaus und habe Medikamente bekommen. Die nehme ich auch heute noch“, berichtete der bereits Vorbestrafte. Als er früher mit dem Gesetz kollidiert sei, habe stets Alkohol eine Rolle gespielt. „Eigentlich ist es schön, mal nicht besoffen zu sein und nach Schnaps zu stinken“, sinnierte der Kahlgeschorene während der Verhandlung. „Meine Mutter sagt immer, ich darf gar nichts mehr trinken.“ Doch das könne er einfach nicht. Ohne Alkohol leide er an Panikattacken, fühlte sich verfolgt, sei nicht in der Lage, in einen Fahrstuhl zu steigen. „Ich habe Angst vor Menschenmassen.“

„Die haben viele“, warf Rechtsmediziner Dr. Jörg Semmler ein. Er gab allerdings zu bedenken, beim Angeklagten könne eine Psychose vorliegen. Nach kurzer Beratung beschloss die Strafkammer, Enrico E. von einem Psychiater begutachten zu lassen. Das Gutachten solle klären, ob der Angeklagte zur Tatzeit aus medizinischer Sicht schuldunfähig war. Sei zu erwarten, dass der Kleinmachnower auf Grund seines Zustandes auch künftig Straftaten begeht, stände die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Raum. „Das Gericht will sehen, was wirklich mit Ihnen los ist“, begründete der Kammervorsitzende den Beschluss. „Voraussichtlich Anfang November wird es einen neuen Termin geben.“ (*Name geändert.) Hoga

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