Aus dem GERICHTSSAAL: Räuber von drei Männern überwältigt
Bewährung nach Überfall auf Plötziner Tankstelle
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Werder – „Ich war alleine zu Hause und habe im Fernsehen diesen Film mit dem Raub gesehen. Danach habe ich mich spontan entschlossen, die Tankstelle am Gewerbepark Plötzin zu überfallen“, gesteht Benjamin B.* (19) vor dem Jugendschöffengericht. Als der Werderaner hört, welche seelischen Auswirkungen sein Handeln bei dem Kassierer hinterlassen hat, entschuldigt er sich weinend. Benjamin B. wird wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung. Zudem hat er sich binnen zwei Monaten um einen Täter-Opfer-Ausgleich zu bemühen.
„Ich wollte meiner Familie ein schönes Weihnachtsfest bereiten. Wir hatten Geldprobleme“, begründet der schmächtige Jugendliche seine nächtliche Tat vom 8. Dezember 2005. Zuerst habe er aus dem Gedächtnis eine Skizze der Neu-Plötziner Tankstelle gezeichnet, die er von früheren Besuchen kannte, dann Feldstecher, Wollmütze mit Sehschlitzen, Schreckschussrevolver samt Munition des Stiefvaters, eine Weihnachtstüte zum Abtransport des Geldes sowie ein kleines Beil eingesteckt. „Wozu denn das?“, fragt Amtsrichterin Rita Franke. „Damit wollte ich die Scheibe einschlagen, falls der Kassierer mich nicht mehr rausgelassen hätte“, pariert Benjamin B.
„Ich bin dann maskiert rein und habe die Pistole gezückt. Dabei habe ich ganz streng gesagt, Überfall, Geld her, sonst knallts“, schildert der Angeklagte vor Gericht leise. Der Kassierer habe daraufhin betont langsam einige Fünf- und Zehn-Euro-Noten in die Tüte gesteckt. „„Wahrscheinlich hat er gehofft, die Polen würden ihm zu Hilfe kommen“, mutmaßt Benjamin B. heute. In der Nacht des Überfalls wähnte er den Kassierer alleine im Verkaufsraum. Die drei Männer im benachbarten Bistro sah er vorher von seinem Beobachtungsposten nicht. „Zum Glück haben die mich überwältigt. Sie haben mich auch verhauen. Aber das hatte ich verdient“, schluchzt der zukünftige Gärtner. Leider waren die couragierten Helfer in jener Nacht so betrunken, dass es der Polizei nicht gelang, eine brauchbare Zeugenvernehmung durchzuführen.
„Der Maskierte fuchtelte mit seiner Pistole vor meinem Kopf herum. Ich sagte erst, du kriegt kein Geld“, berichtet Gernot G.* (49) im Zeugenstand. „Dann habe ich ein Klicken gehört. Da habe ich gewusst, dass das kein Spaß ist. Ich habe so etwas zum ersten Mal erlebt und erst hinterher realisiert, dass ich möglicherweise in Lebensgefahr war“, so der Tankstellen-Kassierer. Um 23.45 Uhr wurde die Polizeiwache Werder von Gernot G. alarmiert. Da war Benjamin B. bereits außer Gefecht gesetzt. „Wie geht es Ihnen heute?“, möchte der Staatsanwalt von dem Angestellten wissen. Der gibt zu, ihn beschleiche stets ein mulmiges Gefühl, wenn Leute mit Motorradhelmen in die Tankstelle kommen. „So ganz ist der Vorfall noch immer nicht aus meinem Kopf raus.“
„Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie die Skizze vom Tatort am selben Abend gefertigt haben“, wendet sich die Vorsitzende an den Angeklagten. „Das sieht nach einer gehörigen Portion Vorbereitung aus.“ (*Namen geändert.) Hoga
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