Aus dem GERICHTSSAAL: Reizthema rotes Haus
Schuld des Rentners gering / Verfahren eingestellt
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Werder (Havel) – Rot reizt nicht nur den Stier. Auch den Nachbarn in Werder geht das farbintensive Haus von Norman N.* und seiner Lebensgefährtin Sabine S.* auf die Sehnerven. In der Nacht des 14. Mai vorigen Jahres soll Willi W.* (69) zur Selbsthilfe gegriffen und eine Flasche mit silberner Farbe gegen die Fassade des Gebäudes geschleudert haben.
Die war danach wirkungsvoll gesprenkelt, der Putz beschädigt. Das sah Norman N. aber erst richtig, als der Tag anbrach. Laut Strafbefehl soll Rentner Willi W. nämlich auch noch die Lampe vor dem Haus aus dem Boden gerissen, gar deren Schirm mitgenommen haben. 600 Euro sollte der Ur-Werderaner wegen Sachbeschädigung zahlen. Umgehend legte er Einspruch ein. Es kam zur Gerichtsverhandlung.
„Der Vorwurf stimmt nicht. Um diese Zeit schläft man ja. ]Das kann meine Frau bestätigen“, erklärte Willi W. zu Prozessbeginn. „Wir haben schon immer hier gewohnt. Bis vor drei Jahren hatten wir unsere Ruhe. Dann zog die Familie N. her, und der Stress ging los.“ Besonders ärgere ihn, dass Norman N. seinen Oldtimer stundenlang laufen lasse. „Die Abgase ziehen zu uns rüber. Man kann kein Fenster öffnen“, empörte sich der ältere Herr.
„Sein Hund scheißt immer vor unsere Tür. Außerdem verbrennt Herr W. Sachen in seiner Heizung, die da nicht reingehören. Das führt zu starker Qualmentwicklung“, parierte Norman N. (38). Doch die Ereignisse jener Frühlingsnacht hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. „Unser Schlafzimmerfenster war angeklappt. Gegen 1.30 Uhr wurden wir von Geräuschen geweckt. Ich schaute durch die Jalousie und sah, wie Herr W. einen Gegenstand gegen unsere Hauswand schmiss.“ Danach sei er über den Zaun geflüchtet.
„Seit dieser Nacht beobachtet er uns ständig“, beschwerte sich der arbeitslose Industriemechaniker. „Gott sei Dank war Vollmond. Deshalb konnte ich unseren Nachbarn eindeutig erkennen“, stützte Sabine S.* (31) die Aussage ihres Lebensgefährten. „Der Wurf hätte auch die Fensterscheibe treffen können.“ Leider habe die zum Tatort gerufene Polizei die Angelegenheit eher lustig gefunden.
„Ich war damals wegen Personalmangels nach Werder abgeordnet“ berichtete der Polizeibeamte Peter A. (42) von der Wache Beelitz im Zeugenstand. „So eine Sachbeschädigung kommt jeden Tag vor. Deshalb kann ich mich an den Vorfall nicht mehr erinnern.“
„Es ist Ihre Aufgabe, zur Aufklärung beizutragen“, rügte Amtsrichterin Kerstin Nitsche den gelangweilt wirkenden Ordnungshüter. „Warum haben Sie sich auf den Termin nicht vorbereitet?“ Der Beamte zuckte mit den Achseln, machte allerdings Fahrgeld und Zeugenentschädigung geltend. Für Rentner Willi W. ging die Sache gut aus. „Der Schaden ist wesentlich kleiner, als ursprünglich angenommen. Das Verfahren wird wegen geringer Schuld eingestellt“, befand das Gericht. (*Name geändert.) Hoga
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