Potsdam-Mittelmark: Renaissance am Striewitzweg
Am brach liegenden Stahnsdorfer Ortsrand leben Bauvorhaben wieder auf – und somit der Widerstand
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Stahnsdorf - Das klingt nach einem Spagat: Ziel für Stahnsdorfs Zukunft ist, die Qualität und das Potenzial als „wald- und gartengeprägten Wohnstandort“ zu sichern und zu entwickeln. Dieser Anspruch findet sich im Vorentwurf des Flächennutzungsplanes (FNP), der seit einiger Zeit eifrig debattiert wird.
Die Zerreißprobe zeigte sich bereits an den innerörtlichen Waldgebieten an der Beethoven- und der Annastraße. Dort führte der Plan, Waldstücke teilweise zu bebauen, zu heftigen Kontroversen. Auch an anderer Stelle lebt der Disput ums Bewahren oder Bebauen wieder auf: am Striewitzweg. Südlich der unbefestigten Straße sind in dem aktuellen Planwerk 4,9 Hektar Wohnbaufläche für 52 Wohneinheiten skizziert.
Die Idee, auf der Brachfläche neben dem Striewitzweg zu bauen, ist fast so alt wie die Wende. Anfang der 1990er Jahre hatten die Stahnsdorfer Volksvertreter die Idee, Wohnraum für Restitutionsopfer – nach Vorbild des Stolper Wegs in Kleinmachnow – zu schaffen. Der Plan, dafür 200 Wohneinheiten am Striewitzweg zu errichten, ging allerdings nicht auf: zu wenig Betroffene, Querelen mit dem potenziellen Investoren, ungeklärte Fördermodalitäten und ein ausbleibender Entwicklungsträger ließen das Projekt scheitern. Die damals gegründete Anwohnerinitiative, die eine Bebauung entlang des Striewitzweges als Angriff auf das bislang unberührte, eher ländliche Wohnumfeld sah, atmete auf.
Jetzt ist sie wieder aktiv, alarmiert durch die Vorschläge der FNP-Autoren. Mehr als 100 Einwände habe es zum Vorentwurf des FNP gegeben, sagt Edelinde Standfuß, Aktivistin der Anwohnerinitiative. Denn wie vor zehn Jahren gebe es auch heute keinen Bedarf, in der Randlage zu bauen. Resolut pocht Standfuß auf den Landesentwicklungsplan, der an den Nahtstellen zwischen Berlin und Brandenburg Entwicklungsziele vorschreibt und den Striewitzweg in Stahnsdorf nur dann als mögliches Wohnbaugebiet sieht, wenn es keine anderen Entwicklungsareale gibt. Doch die gebe es, meint Standfuß und zitiert die alten Kasernenstandorte im Ort, die für den Wohnungsbau genutzt werden sollen. Dass der Landesentwicklungsplan inzwischen überarbeitet ist und die Neufassung bald verabschiedet wird, weiß Standfuß. „Noch gilt der alte“, sagt sie bestimmt.
Ihre Mitstreiter stützen sich zudem auf den FNP-Vorentwurf selbst. Darin schreiben die Planer, dass eher die Innen- als Außenbereiche des Ortes entwickelt werden sollen. Und da der Striewitzweg außerhalb des eigentlichen Siedlungskerns liegt, sollte er auch nicht bebaut werden, so die Anwohnerinitiative. „Hier hat die Natur ihren Platz“, befindet Anwohner Harald Pernau. Als Bindeglied zwischen Stahnsdorfer Upstall- und Teltower Striewitzwiesen erfülle die unbebaute Landschaft die Funktion einer Frischluftschneise. „Welcher Schaden entsteht, wenn nicht gebaut wird?“, fragt Pernau.
Für CDU-Gemeindevertreter Claus-Peter Martensen lastet auf dem Ortsrand hingegen enormer Siedlungsdruck. Das Gewerbegebiet, die S-Bahntrasse und von Teltower Seite Siedlungs- und Gewerbeeinheiten drängen an die still gelegte und ungenutzte Ackerfläche am Striewitzweg heran. „Wir leben in einen boomenden Ballungsgebiet, in dem man auch regionale Bezüge herstellen muss“, so Martensen. Und da sei der Striewitzweg und seine angrenzenden Freiflächen eben keine Randoase oder „Pufferzone“, wie die Anwohner meinen, sondern potenzielles Bauland. „Das gehört de facto zum regionalen Kern“, meint der CDU-Fraktionschef. Der Druck werde wachsen, so dass es sinnvoll sei, einen Plan zu haben. Dabei werde der ländliche Charakter durchaus respektiert, indem eine großzügige Bebauung angestrebt werde: wenig Häuser auf großen Grundstücken. Tatsächlich klingen 52 Einfamilienhäuser im Vergleich zu den einst geplanten 200 Wohneinheiten weniger wuchtig.
Die Anwohnerinitiative um Edelinde Standfuß überzeugt das kaum. Für sie ist die Zukunftsplanung voller Widersprüche und geleitet von kommerziellen Interessen der Immobilienwirtschaft. Harald Mushack, Gemeindevertreter der Linken und einst eifriger Verfechter des Wohnbauprojektes für Restitutionsopfer, kann sich durchaus vorstellen, die Brachflächen am Striewitzweg zu erhalten und in einen Park zu verwandeln. Weil das aber Geld kostet, publizierte er vor einiger Zeit im „Stahnsdorfer Ortsanzeiger“ einen Anruf: „Wer hilft bei der Entwicklung und bei der zukünftigen Pflege des Parks?“ Wie viel Stahnsdorfer sich gemeldet haben? Mushack lacht: „Kein einziger!“
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