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Aus dem GERICHTSSAAL: Rentner und Arbeitslose abgezockt? Werderaner muss

Geldbuße zahlen

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Werder – Viele Rentner und Arbeitslose hatten sich auf das Zeitungsinserat gemeldet. Ein Produkt-Promotion-Vertrieb hatte zwischen Juli 2004 und August 2005 im Potsdamer Umland Kraftfahrer mit eigenem Auto gesucht, um Seminarteilnehmer an den Wochenenden nach Leipzig zu fahren. Schließlich wurde den künftigen Chauffeuren ein sehr guter Verdienst versprochen. Was in der Annonce nicht stand, ihnen jedoch beim ersten Zusammentreffen, unter anderem von dem Werderaner Vermögensberater Bert B.* (54), offenbart worden sein soll: Die Entlohnung der Fahrer war mit einer Bedingung verknüpft. Die neuen Kraftfahrer sollten nämlich selbst die Teilnehmer anwerben, die 3200 Euro für ein Seminar auf den Tisch des Unternehmens legen. Zum Vertragseinstieg – so die dubiose Geschäftspraktik – sollten die Fahrer auch selbst 3200 Euro investieren. Da sie für jede Fahrt zwischen 460 und 1250 Euro erhalten sollten, würde sich die Ausgabe schnell amortisiert haben.

Bald war den von Bert B. Angeheuerten, von denen manche vier- bis fünfmal nach Leipzig fuhren, klar: Sie wurden übers Ohr gehauen. Obwohl sie die geforderten 3200 Euro samt 150 Euro Bearbeitungsgebühr und 35 Euro Verpflegungskosten pro Tour zahlten, bekamen sie keinen Cent zurück. Einen großen Teil der Geprellten wurmte es, dass andere schlauer waren als sie: Das Werben von Seminarteilnehmern war fast unmöglich. Sie blieben Argumenten unzugänglich und hielten die Taschen zu. Die gescheiterten Kraftfahrer, von denen nicht wenige einen Kredit aufnahmen, um an das große Geld zu gelangen, erstatteten Anzeige wegen Betruges. Einige bestritten, von dem Mann aus Werder (Havel) darüber informiert worden zu sein, dass ihre Vergütung vom Erfolg abhängig sei.

Doch das Verfahren gegen den vermeintlichen Betrüger wurde gestern vom Gericht gegen Zahlung der symbolischen Summe von 3200 Euro eingestellt. Man habe die Leute in der Zeitungsannonce zwar als Fahrer geworben. Wenig später sei ihnen allerdings per Einstellungsvertrag klar gemacht worden, dass sie auf Erfolgsbasis tätig sein würden, so Amtsrichter Oliver Kramm. Somit könne man Bert B. als Ansprechpartner nicht nachweisen, die Interessenten absichtlich getäuscht und diese Täuschung über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten zu haben. Die zahlreich als Zeugen geladenen Opfer sahen dies anders. Wutentbrannt betonte ein 44-Jähriger, er werde jetzt zivilrechtlich gegen Bert B. vorgehen. Er wisse, dass das Unternehmen seine Praktiken inzwischen unter anderem Namen fortführe.

„Mir wurde gesagt, ich müsse erst etwas investieren, bevor ich verdienen könne. Als ich nach drei Fahrten immer noch kein Geld gesehen hatte, wollte ich aussteigen“, erzählte ein 67-Jähriger, der beschämt zugab, sich den Vertrag „nicht so richtig durchgelesen“ zu haben. „Aber da wurde ich nur ausgelacht.“

„Ich bin so dumm gewesen, diesen Vertrag, den ich nur überflogen habe, zu unterschreiben“, rekapitulierte eine 68-Jährige. Auch ihre 3200 Euro plus Nebenkosten, für die sie extra einen Kredit aufnahm, sind futsch. (*Name von der Redaktion geändert.) Hoga

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