
© Tobias Reichelt
Potsdam-Mittelmark: Retter gesucht
Diebe haben auf dem Südwestkirchhof Kupfer abgeräumt, jetzt wirbt Alt-Bischof Huber um Spenden
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Stahnsdorf - Manche Verbrechen machen sprachlos. Kopfschüttelnd und ohne ein Wort zu sagen steht Alt-Bischof Wolfgang Huber im Inneren des zerstörten Mausoleums der Familie Caspary. 102 Jahre hat die Grabstätte des Schnellbootfabrikanten Fritz Caspary ohne größere Schäden überstanden. Doch jetzt droht dem kulturhistorischen Denkmal auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof der Verfall. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion haben Räuber das schützende Kupferdach abgerissen. Regen tropft von der mit Mosaiksteinen verzierten Decke, fließt in die Ecken, setzt sich im Mauerwerk fest. Es ist kein Einzelfall.
In diesem Jahr ist der Südwestkirchhof Schauplatz einer bislang beispiellosen Serie von Grabräubern geworden. Auf der Suche nach neuer Beute zeigen Kupferdiebe keinen Respekt mehr vor den Toten. Allein die notdürftige Reparatur der sieben in diesem Jahr beschädigten Mausoleen würde 100 000 Euro kosten. So viel wie noch nie. Weil die Kirche überfordert ist, war Alt-Bischof Huber am Freitag zu Gast. Unter der Überschrift „Rettet die Mausoleen“ wirbt er um Spenden für den zweitgrößten deutschen Friedhof.
Die Taten sind grausam und niederträchtig, sagt Huber. Erst als er die Grabstätte wieder verlassen hat, findet der Bischof zu Worten. Er spricht von Misshandlungen und Rücksichtslosigkeit. „Die Diebe haben nur den Wert des Metalls vor Augen.“ Der Respekt vor der Totenruhe sei dahin. „Das ist besonders scharf zu verurteilen.“
Möglichkeiten, die Diebe aufzuhalten, gibt es fast keine. Vier Kilometer ist der Zaun um das 156 Hektar große Gelände lang. Schnell und vor allem unbemerkt ist da ein Loch hineingeschnitten. Trotzdem will sich die Kirche von den kriminellen Machenschaften der Kupferdiebe nicht in die Knie zwingen lassen, sagt Huber. „Bürgerschaftliches Engagement ist die richtige Antwort.“ Nicht nur Großspender seien gefragt, um dem finanzschwachen Friedhof zu unterstützen. Auch kleine Summen helfen, den Schaden an den Mausoleen notdürftig mit Zink- oder Plastikabdeckungen zu beheben.
Neues Kupfer will auf dem Kirchhof heute niemand mehr einsetzen, sagt Friedhofsverwalter Olaf Ihlefeldt. Insgesamt 14 Mal haben die Räuber in diesem Jahr zugeschlagen. Zwischen Januar und April und dann wieder seit Beginn der Herbstzeit räumten die Räuber das Kupfer von sieben historischen Mausoleen ab. „Wir kommen aus dem Entsetzen nicht mehr heraus.“ Jeden Morgen bangt Ihlefeldt bei einem ersten Rundgang um seine Schätze. Eiskalt und brutal gingen die Räuber vor. „Die Grenze des Unerträglichen ist erreicht.“
Der ideelle Schaden geht ins Unermessliche – der Sachschaden durch das fehlende Kupfer in die Hunderttausende. Schon seit Jahren ist der Friedhof ein Ziel für die Räuber. Tagsüber kundschaften sie das Gelände aus. Nachts steigen sie über Zaun und Tore, klettern mit Leitern auf die Dächer der Mausoleen und reißen das Kupfer heraus, das bis dahin niet- und nagelfest war. Ist die Arbeit erledigt, brechen die Diebe anschließend nicht selten die Friedhofstore auf, um mit dem Auto auf das Gelände zu fahren und ihre Beute abzutransportieren. Erst einmal wurden sie erwischt. Durch einen Zufall, erzählt Ihlefeldt.
Als die Diebe aus Osteuropa ihre Beute aus einem Zwischenversteck in der Region holen wollten, wurden sie beobachtet. Ihr Verfahren vor Gericht war kurz. Schnell kamen sie wieder frei. „Es kann nicht sein, dass man sich ins Schicksal ergibt“, sagt Alt-Bischof Huber. Zumindest der in Berlin derzeit diskutierte Vorschlag, Diebe mit Führerscheinentzug zu bestrafen, könnte für die Kupferräuber eine interessante Variante sein, so Huber. Wenn man sie denn erwischt.
Obwohl die Polizei regelmäßig Streife fährt und sich auch nachts auf die Lauer legt, konnten die Täter nie auf frischer Tat ertappt werden, sagt Friedhofsverwalter Ihlefeldt. Andere Möglichkeiten, den Friedhof zu schützen, habe man bereits diskutiert: Videokameras, künstliche DNA auf dem Kupfer und auch ein Hochsicherheitszaun. Vieles scheitert an der Frage, ob sich die Investition tatsächlich lohnt, ob sie die Diebe abhält.
Zumindest die Eingangstore des Friedhofes sollen nun elektronisch gesichert werden. Es ist ein Anfang, sagt Alt-Bischof Huber. „Man darf die Mausoleen nicht Mausoleen sein lassen.“ Denn das wäre gedanken- und rücksichtslos.
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