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Laden gerettet. Philipp-Daniel Ullmann (l.) wird Ralf Heinrich ablösen.

© Tobias Reichelt

Potsdam-Mittelmark: Retter in der Not

Teltows einziger Fahrradladen hat einen Nachfolger. Er macht sich auch Gedanken um die Verkehrspolitik

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Teltow - Die Speiche verbogen, der Reifen platt oder das Licht kaputt und keine Hilfe in Sicht? Teltows Radfahrer mussten über ein halbes Jahr um ihre einzige Fahrradwerkstatt in der Stadt bangen. Nach dem Rückzug des letzten Fahrradfachhändlers im März stand das Geschäft in der Potsdamer Straße vor dem Aus. Lange Wege bis nach Berlin, Kleinmachnow oder Stahnsdorf drohten den Radlern. Doch jetzt ist ein Nachfolger für das Geschäft gefunden.

Philipp-Daniel Ullmann ist groß und schlank, 30 Jahre alt, trägt einen vollen Bart, radelt etwa 6000 Kilometer im Jahr und will die Rettung für viele verzweifelte Fahrradfahrer in der Stadt sein. Ab Februar wird der in Teltow und Kleinmachnow aufgewachsene und später in der Lüneburger Heide zum Zweiradmechaniker ausgebildete Familienvater „Teltows Fahrradladen“ übernehmen. Hell und modern soll das Geschäft werden, mit einer offenen Werkstatt hinter dem Schaufenster. Ullmann will den Laden renovieren, umgestalten und spätestens im März – passend zum Beginn der neuen Fahrradsaison – neu eröffnen. Aber auch in der Zwischenzeit müssen sich Teltows winterharte Radfahrer keine Sorgen machen. Ralf Heinrich, der Besitzer der Räumlichkeiten in der Potsdamer Straße, wird den Betrieb aufrechterhalten.

Heinrich selbst hatte das Fahrradfachgeschäft nach dem Fall der Mauer gegründet und bis zum Jahr 1994 geführt. Anschließend übergab der Fahrrad- und Motorradmechaniker das Geschäft an Holm Roloff. Der führte den Betrieb 18 Jahre lang fort, bis er im März dieses Jahres den Betrieb aufgab. Roloff zog weg und überließ Teltows Radfahrer sich selbst.

Doch Ralf Heinrich – noch immer Vermieter – haderte mit dem Gedanken, den letzten verbliebenen Fahrrad-Fachladen in Teltow zu schließen. „Ein leerer Fahrradladen? Das ist doch Quatsch“, sagte sich Heinrich. So steht der 56-Jährige nun selbst übergangsweise immer montags, dienstags, freitags und samstags hinter der Kasse und schraubt an den Problemrädern der Teltower. Das auch, um seinem jüngeren Kollegen im Februar einen laufenden Betrieb übergeben zu können, wie er sagt.

Ullmann selbst hat sich schon detaillierte Pläne für sein erstes Fahrradgeschäft gemacht. Neben einer Show-Werkstatt soll es auch einen Spielbereich für Kinder geben, in dem dann viele bunte Kinderfahrräder angeboten werden. Ersatzteile aller Art wird es geben, das ein oder andere Rad von der Stange sowie exklusivere Modelle für die Hobby-, Freizeit- und Profiradler. Darüber hinaus sollen Kunden mit Extra-Wünschen eine Sonderbehandlung bekommen. „Von Farbe bis Ausstattung sollen Sie sich bei mir alles aussuchen können“, sagt Ullmann. Er will sich auf solch individuelle Fahrräder spezialisieren, die gerade bei jüngeren Radfahrern immer mehr im Trend liegen.

Um auch mehr Autofahrer in sein Geschäft und aufs Rad zu locken, sieht Ullmann die Stadt in der Pflicht, in der er bald arbeiten wird. Dass das Teltower Rathaus vor knapp vier Jahren eine Abwrackprämie für alte Fahrräder ausgerufen hatte, fand der Mechaniker eine spannende Sache. Nur gelohnt hat es sich leider nicht. Der große Ansturm der Autofahrer, die mit einem neuen Rad zur Arbeit fahren wollten, blieb aus. Erst in diesem Jahr wurden die letzten vier von 100 Prämien über je 50 Euro vergeben.

Wichtiger sei es deshalb, andere Anreize zu schaffen, sagt Ullmann. Man müsste Radler belohnen, die mit ihrem Drahtesel zur Arbeit fahren oder ihre Kinder damit zur Kita bringen. Auch neue, bessere Radwege – zum Beispiel in der Ruhlsdorfer Straße – wären notwendig. Immerhin wird ein neuer Radweg gerade gebaut – und zwar direkt vor Teltows einzigem Fahrradladen. Tobias Reichelt

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