Potsdam-Mittelmark: Richterin: „Blindflug in die Nacht“
Rücksichtsloses Überholen der Ford-Fahrerin kostete einem 17-Jährigen das Leben/6000 Euro Geldstrafe
Stand:
Seddiner See – Die Fahrerlaubnis gab Gisela G.* (56) noch im Gerichtssaal ab. Seit dem 13. Dezember 2007 setzt sich die Behördenangestellte ohnehin nicht mehr ans Steuer eines Autos. Durch ihre Schuld starb der 17-jährige Daniel Sch. an diesem Wintertag. Der Gymnasiast hatte sich am Morgen fröhlich von seiner Freundin verabschiedet, war mit seinem Leichtkraftrad auf dem Weg in die Beelitzer Schule. Dort kam er aber nie an. Gegen 7.20 Uhr erfasste ihn der Ford Focus von Gisela G. frontal, die vor einer Bergkuppe in Richtung Seddin grob verkehrswidrig zwei Fahrzeuge überholt hatte, sich dann nicht mehr in ihre Spur einordnen konnte. Der motorsportbegeisterte Daniel hatte keine Chance. Er wurde von seinem Krad geschleudert und verblutete noch an der Unfallstelle.
Gestern wurde Gisela G. vom Potsdamer Amtsgericht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt. Diese Sanktion wird auch ins polizeiliche Führungszeugnis eingetragen. Die Mutter des tödlich Verletzten sowie sein älterer Bruder traten während der Verhandlung als Nebenkläger auf.
Die Angeklagte beteuerte, sie habe die durchgezogene weiße Linie in der Mitte der Fahrbahn, die das Überholen untersagt, nicht bemerkt. Ihr sei auch nicht bewusst gewesen, dass die Straße hier leicht ansteige. Sie fahre diese Strecke nicht sehr oft. Ihrer Meinung nach war der Gegenverkehr weit genug entfernt. So habe sie sich entschlossen, zuerst einen Transporter, danach einen Lkw mit Anhänger zu überholen. Den Kradfahrer habe sie überhaupt nicht wahrgenommen. Der Beifahrer des Mercedes-Transporters Guido G. (44) erklärte im Zeugenstand, er habe sich gewundert, wieso die Ford-Fahrerin trotz Überholverbots zuerst an ihrem Fahrzeug, dann auch noch an dem Lastwagengespann vorbeizog. Sein Kollege am Steuer habe extra die Geschwindigkeit verringert, damit der Pkw vor ihnen einscheren könne. Kurz hinter der Anhöhe sei es dann zum Zusammenstoß des Autos der Angeklagten mit dem Fahrer des Leichtkraftrades gekommen. Er habe den Jungen im Wald gefunden, sei bei ihm geblieben, bis der Arzt eintraf, erzählte der Zeuge.
Vor der Unfallstelle gibt es kein Verkehrsschild, welches das Überholen verbietet. Es gäbe nur die durchgezogene Linie. Diese beginnt etwa 100 bis 150 Meter vor besagter Kuppe, führte der Kfz-Sachverständige Karsten Laudin aus Beelitz aus. Die Kollision trug sich etwa 12 Meter dahinter in Richtung Seddin zu. Sowohl der Ford Focus der Angeklagten als auch das Leichtkraftrad befanden sich in technisch einwandfreiem Zustand. Beide Fahrzeuge haben die an dieser Stelle zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten. Dennoch besaß Daniel Sch. keine Chance mehr, sein Krad abzubremsen oder den Zusammenstoß zu verhindern, so der Gutachter.
Die Staatsanwältin fand in ihrem Plädoyer scharfe Worte für das Fehlverhalten von Gisela G. Diese habe sich fahrlässig und rücksichtslos entschlossen, bei Dunkelheit auf einer unübersichtlichen Strecke zu überholen, obwohl es untersagt war. Die Folge sei ein Unfall mit den schlimmsten Folgen gewesen, die man sich vorstellen könne. Amtsrichterin Waltraud Heep versicherte, sie hätte der Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen, falls sie nicht freiwillig darauf verzichten hätte. Gisela G. habe einen „Blindflug in die Nacht“ unternommen, dabei alle Warnhinweise ausgeblendet, die für einen normal empfindenden Menschen wahrnehmbar gewesen seien. (*Name geändert.) Gabriele Hohenstein
Gabriele Hohenstein
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