Potsdam-Mittelmark: Richterin: Die Wahrheit liegt oft in der Mitte
Ehepaar wegen Beleidigung und Bedrohung angeklagt
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Ehepaar wegen Beleidigung und Bedrohung angeklagt Von Gabriele Hohenstein Werder/Potsdam. Als sich Beate* (59) und Wolfgang B.* (60) aus Werder hoch verschuldeten und ein Dreifamilienhaus erwarben, in das sie auch einzogen, hofften sie, irgendwann lastenfrei zu sein, um mit den Einnahmen der beiden vermieteten Wohnungen ihr Salär aufzubessern. Mittlerweile lebt das Ehepaar in Angst und Schrecken in den eigenen vier Wänden. Grund: Die Tochter einer Mieterin hat einen türkischen Freund, den die „scheißdeutschen Gesetze“ nach eigener Aussage einen Dreck angehen. Seit Erkan Y.* in ihrem Haus aus- und eingehe, herrsche der pure Terror, erzählt Beate B. vor Gericht. Nicht genug, dass er lautstark die Türen knalle, aggressiv auftrete, sein Auto grundsätzlich hinter ihres stelle und sie am Wegfahren hindere, habe er illegale Leitungen für das Kabelfernsehen der Familie seiner Freundin verlegt, einen Sohn des Paares zweimal zusammenschlagen lassen und gedroht, demnächst sowieso alles kurz- und kleinzuhauen. „Er ist ein Straftäter, aber wir sitzen auf der Anklagebank“, empört sich Wolfgang B. Laut Anklage soll Beate B. der Freundin des Türken am 25. April 2003 angekündigt haben, „ihren kriminellen Ausländerfreund“, der überall Schutzgeld erpresse, hochgehen zu lassen. Ihr Gatte habe dem Ausländer erklärt, ein Hund verdiene es mehr zu leben als er. Zudem soll er gedroht haben, „ihn kaltzumachen“. „Erkan Y. verdreht die Tatsachen“, stellt Wolfgang B. erregt klar. „Ich bin in einem Alter, in dem ich meine Ruhe haben möchte. Deshalb haben wir ihm Hausverbot erteilt. Aber er hat sich nicht daran gehalten.“ Der Türke sei es gewesen, der ihnen an dem bewussten Tag erklärt habe, sie hätten Glück, dass es noch hell sei. Ansonsten würde er sie einen Kopf kürzer machen. „Er wollte uns vertreiben, und bei unseren Söhnen anfangen“, so der wegen Beleidigung und Bedrohung Angeklagte. Erkans Freundin Bianca K.* (23) hat im Zeugenstand nur noch eine vage Erinnerung an die Ereignisse. „Die Angeklagten haben uns öfter beleidigt“, meint sie. „Sie haben behauptet, in der Gaststätte meines Freundes würden Waffen und Drogen verkauft.“ Den genauen Wortlaut der Auseinandersetzung jenes Nachmittags könne sie allerdings nicht mehr wiedergeben. „Es gab ein ziemlich heftiges Wortgefecht“, räumt Erkan Y. – er tritt im Prozess als Nebenkläger auf – ein. Dass Wolfgang B. ihm anbot, ihn kaltzumachen, kann er jetzt nicht mehr bestätigen. „Aber er wolte mir ein paar auf die Fresse geben. Und als zufällig ein Dorfköter vorbeilief, hat er gesagt, der Hund ist mehr wert als du.“ Klar, er sei auch wütend und laut gewesen, räumt der Ausländer ein. „Aber ich bin nicht ausfallend geworden.“ „Die Wahrheit liegt oft in der Mitte“, gibt die Vorsitzende zu bedenken.“ Da Aussage gegen Aussage stehe, regt sie an, das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße einzustellen. Die Werderaner auf der Anklagebank fühlen sich unschuldig, stimmen schließlich doch zu, „um endlich Frieden zu haben“. Wolfgang B., dessen Tatbeitrag offensichtlich größer war, muss 100 Euro an die Kindernothilfe zahlen. „ Die einstweilige Verfügung, nach der sich Erkan Y. unserem Grundstück nur bis auf 300 Meter nähern darf, wird dadurch aber nicht außer Kraft gesetzt?“, fragt er ängstlich. Die Richterin kann ihn beruhigen. (Namen geändert.) AUS DEM GERICHTSSAAL
Gabriele Hohenstein
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