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Potsdam-Mittelmark: Riskante Flugshows und Geklapper

Im Beelitzer Horst übt Rekordzahl von fünf Jungstörchen fliegen, erstmals in diesem Jahr kann man vom Kirchturm aus zuschauen

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Im Beelitzer Horst übt Rekordzahl von fünf Jungstörchen fliegen, erstmals in diesem Jahr kann man vom Kirchturm aus zuschauen Von Henry Klix Beelitz - Ein erstes Flügelpaar wirft schwarze Schatten auf die rote Ziegellandschaft der Beelitzer Altstadt. Ein Jungstorch nach dem anderen stolpert aus dem Schornstein-Horst hinaus ins Bodenlose, und los geht''s: In weiten Bögen schwingen sich die Adebare zur Vormittagssonne hinauf. Ohne Flügelschlag schraubt sich die kleine Kolonne minutenlang in die Höhe, riskiert zwischendurch kurze, übermütige Sturzflüge, bevor sie, den Kirchturm umrundend, zurück ins sichere Nest flattert. „Die lernen jetzt, wie das mit der Thermik funktioniert“, kommentiert Nabu-Mann Hans-Hermann Noack, Storchenbetreuer in Beelitz. „Eine richtige Flugshow“, freut er sich. Aus 30 Meter Höhe kann man vom Kirchturm der St. Marien aus hinab auf das Nest in der Küstergasse blicken und die Tiere seit anderthalb Wochen bei ihren ersten Flugversuchen beobachten. Zum diesjährigen Spargelfest wurde der Turm mit einem Geländer versehen und begehbar gemacht, seitdem lockt er regelmäßig die Beelitzer und ihre Gäste. Nicht nur Hans-Joachim Noack ist von der neuen Möglichkeit begeistert. „Das ist wohl der schönste Storchen-Aussichtspunkt in der Nuthe-Nieplitz-Niederung“, meint auch Katrin Greiser von der Naturpark-Verwaltung anerkennend. Etwa 25 Storchenpaare kommen Jahr für Jahr in das „Märkische Zweistromland“, jedes hat seinen ehrenamtliche Storchenbetreuer, der regelmäßig nach dem Rechten sieht. Deren Dokumentation über das Verhalten der Tiere soll jetzt transparenter werden: An jedem Storchenhorst des Naturparks werden Schilder aufgestellt, auf denen die Ankunftszeit des Elternpaares, die Zahl der Jungen und der Abflug nach Afrika eingetragen werden. Die Luckenwalder Schülerin Laura Friedl hat das Projekt innerhalb der „Jugend-forscht“-Initiative angeregt, vor zwei Jahren wurden im Altkreis Luckenwalde bereits Schilder aufgestellt. In Beelitz wird in diesem Jahr gleich eine Rekordzahl auf der Tafel stehen: Fünf Jungstörche! „Weltrekordverdächtig“, kommentiert Katrin Greiser. „Dass so viele Tiere einer Brut so lange überleben, lässt sich nur mit dem Futterangebot in diesem Jahr begründen“, meint Storchenbetreuer Noack. Oft werden nur vier Eier gelegt und zwei Jungtiere kommen durch. Auch in Beelitz wurde mal ein Jungtier aus dem Nest geschubst, damit es die beiden anderen schaffen. Hauptnahrungsmittel sind nicht, wie oft angenommen, Frösche, sondern Regenwürmer, Heuschrecken und Schnecken. Und die gäbe es in diesem Jahr dank des feuchten Sommers reichlich, sagt Noack. Ob alle fünf Jungstörche überleben, sei trotzdem noch nicht sicher. „Oft gibt es bei den ersten Flugversuchen Unfälle oder die Übungen enden in Hochspannungsleitungen.“ Im Mittelalter schätzte man den Menschenfreund, der geschnittene Feuchtwiesen zur Nahrungssuche bevorzugt, als Mäusevertilger. Heute geht das Wechselspiel zwischen Mensch und Storch nicht immer glücklich aus: Zum Bau der Nester nutzen die Eltern auch Folie oder Reste von synthetischen Netzen, die zum Verschnüren von Heuballen genutzt werden und am Feldrand liegen. Mitunter, wie einst in Rieben und Schäpe, verletzen sich die Tiere an den Materialien und müssen befreit werden, manche sterben. Doch die Forderung der Naturschützer an die Agrarindustrie, verrottbare Materialien zu verwenden, ging bislang ins Leere. Storchenbetreuer wie Hans-Hermann Noack oder Naturwacht-Mann Norbert Thäle aus Zauchwitz glauben zudem, dass auch die starke Spargelbewirtschaftung im Beelitzer Sander der Storchenpopulation nicht zuträglich ist. „Wo gespritzt wird, gibt es keine Regenwürmer“, meint Noack. Und in Klaistow, Busendorf und Schäpe, wo es besonders große Spargelanbauflächen gibt, würden die alten Horste jetzt leer bleiben. Das heute nicht weniger Störche in der Nuthe-Niepliz-Niederung brüten als vor der Wende, sei auf den Siedlungsdruck in Polen zurückzuführen, glaubt Noack. „Vor 70 Jahren gab es doppelt so viele Störche.“ Wissenschaftlich belegt ist die These allerdings noch nicht. Neun Storchenpaare gibt es in Beelitz und seinen im Naturpark verteilten Ortsteilen: Zumindest in Zauchwitz scheinen sich die Vögel wohl zu fühlen. Zum seit 1989 bewohnten Nest kam in diesem Jahr eines hinzu. Am östlichen und westlichen Ortsrand wird man mit freundlichem Geklapper und riskanten Shows junger Flugschüler empfangen. Öffnungszeiten des Kirchturms der St. Marien: donnerstags von 10 bis 12 Uhr, samstags von 10 bis 12 und 13 bis 16 Uhr, sonntags von 12 bis 13 und 14 bis 17 Uhr.

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