KulTOUR: Ritzeratze, voller Tücke
So richtig grobe und böse Lümmel gibt es eigentlich immer und überall, auch in der Spargelstadt Beelitz. Wie sonst hätte das brechtverliebte „theater 89“ am vergangenen Freitag im Hof der alten Posthalterei ein Stück über Max und Moritz so erfolgreich aufführen können?
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So richtig grobe und böse Lümmel gibt es eigentlich immer und überall, auch in der Spargelstadt Beelitz. Wie sonst hätte das brechtverliebte „theater 89“ am vergangenen Freitag im Hof der alten Posthalterei ein Stück über Max und Moritz so erfolgreich aufführen können? Gleiches muss einfach immer zu Gleichem kommen, so ist das nun mal. Anlass für dieses sehenswerte Gastspiel war die landesweit agierende Arbeitsgemeinschaft „Städte mit historischen Stadtkernen“, zu denen sich Beelitz ganz rechtens zählen darf. Sie ermöglichte manchen Wiederaufbau des Verfallenen, ermöglicht auch Gastspiele, wie es dieses interessante Berliner Theater vor großer Zuschauerkulisse im 1789 erbauten Post-Geviert gab.
Der Einzug der zigarrerauchenden Lümmel allein war eine Inszenierung. Maxe füllig, Moritz eher langgesträhnt und dünn im Haar, dazu eine schön schräge Kapelle mit Zugposaune (Jörg Huke), Gitarre (Sebastian Tyroller) und Hannes Zerbe, dessen mit Totenköpfen geziertes Klavier auf der Vorbühne stand.
Die Hauptbühne oben mit einem Vorhang mitten im Raum, rechterhand ein Schlot von einer Esse, damit es ordentlich qualmt und zischt, wenn es darum geht, der armen Witwe Bolte das gemeuchelte Federvieh vom Herd wegzustehlen oder des Lehrers schießgepulverte Pfeife zu entzünden. So böse Buben sah Beelitz wahrscheinlich noch nie: Johannes Achtelik als Max und Hans-Joachim Frank als Moritz waren die Bosheit samt Häme und Tücke persönlich, Wilhelm Busch, dessen Bubengeschichten 1865 erschienen, hätte das sicher gefreut.
Sieben Streiche standen unter der Regie von Hans-Joachim Frank beim Sommertheater in Beelitz. Neben der Witwe waren bekanntlich auch Meister Böck, der Schneider, Lehrer Lempel, Onkel Fritz mit der Zipfelmütz und andere ehrbare Leute Opfer der kriminellen Kerls. Sie alle wurden von dem verwandlungsfreudigen Bernhard Geffke mit viel Lust und Laune gespielt. Das im Flair sehr lotterbubige Orchester spielte, was das Zeug hielt, der Gitarrist brillierte außerdem sogar als Spitz und in anderen Nebenrollen. Obwohl Wilhelm Busch den Menschen für einen „ledernen Sack voller Kniffe und Pfiffe“, das Lachen für den „Ausdruck relativer Behaglichkeit“ hielt, war das zahlreich erschienene Publikum restlos begeistert. Das Böse auf der Bühne kommt ja – ritzeratze, voller Tücke – bekanntlich immer gut an!
Die gesamte Inszenierung war exzellent, schließlich hatte sich die Regie dem epischen Stil von Bertolt Brecht verschrieben. Und das heißt vor allem zeigende Gesten, Erzählgestus statt einfühlendes Rollenspiel, wodurch Max und Moritz viel mehr Raum zur Beförderung ihrer Bosheit bekamen. Erzählende Parts, Duetts und Wechselgesänge zur selbsterdachten, gleichfalls „epischen“ Musik waren prägende Stilelemente. Na bitte, Brechts „Zeige-Theater“ funktioniert also doch! Herrlich und wild anzusehen war die knapp einstündige Inszenierung in der Spielfassung von „theater 89“ sowieso. Gedichte von Wilhelm Busch und eine verwegene Flibustierballade von Bertolt Brecht rundeten den deutlich subversiv angelegten Abend stil- und wirkungsvoll ab.
Am kommenden Wochenende wird die Inszenierung im historischen Stadtkern von Potsdam, in der Kleistschule, zu sehen sein. Beelitz indes setzt in diesem Rahmen erst einmal aus, denn man will 2015 eine eigene Theaterproduktion machen, „Frau Luna“ von Paul Lincke, da ist man jetzt schon gespannt. Gerold Paul
Gerold Paul
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