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KulTOUR: Roter Hahn und Zickenplatz

Personalausstellung des Teltower Malers Hans-Jürgen Brauer in Bürgerhaus und Rathaus

Stand:

Teltow - Heute geht in Teltow eine bemerkenswerte Personalausstellung zu Ende. Hans-Jürgen Brauer, der sich in dieser Reihenfolge „Kunstlehrer, Maler und Grafiker“ nennt, feiert im Bürgerhaus und im Rathaus mit „Retrospektive II“ sein fünfzigjähriges Berufsjubiläum. Als Teltower Urgestein ist er zwar bei allen wichtigen Expositionen nah und fern beteiligt, aber diese Werkauswahl ist natürlich etwas Besonderes, zeigt sie doch quasi den ganzen Brauer in seinen Lebens-Bildern.

Gut platziert im Bürgerhaus seine Malerei, meist auf Ölbasis. Neben Porträts, blumigen Stillleben und ein paar Akten fallen hier besonders drei Werkgruppen auf. Zum einen sind es hoch- oder tief-bewegte Rügenbilder mit fast abenteuerlichen Weißungen und einer unsichtbaren Kraft, als ob sie Feuer sprühen wollten. Dann Porträts und Selbstporträts, seiner Eltern, seiner Gattin, und in eigener Person, mit Schwung den Pinsel führend; oder Hans-Jürgen Brauer on face, Wind bewegt ihm Bart und Haupthaar.

Die dritte Gruppe wird jene Senioren interessiert oder abgestoßen haben, die hier zu Mittag speisen, denn etliche Arbeiten zeigen das brennende und ausgebrannte Teltow im Frühjahr 1945 genau am Standort des Betrachters. Die Korrespondenz von damals und heute am identischen Ort ist beinahe gruselig. Aber gleich daneben hängt ja sozusagen die historische Fortsetzung, die heutige Stadt, wo sich ja schon mal ein paar Fans vor dem TV lümmeln, ein Boxer gerade k.o. geht oder ein Kranz junger Mädchen („Suchzeit“) so herrlich verträumt ins Leben schaut, indes die Mitte des Bildes auffällig leer bleibt

Neben origineller Gebrauchsgrafik, für die er ja immer einen besonders kraftvollen Strich findet, ist das Hochparterre vom Rathaus vorwiegend seinem grafischen Werk gewidmet. Bekanntlich skizziert er seine Motive sicher, doch voller Eile, mit dem Filzer, bevor er „richtige“ Bilder daraus macht. Wie eines aus dem anderen entsteht, zeigen etwa die beiden Fassungen der Akropolis zu Athen. Die alten Linolschnitte polnischer Städte aus den siebziger Jahren haben etwas ganz Eigenes, daneben Ölpastelle seiner Reisen nach Etretat und Gran Canaria. Alles passt immer zusammen, warum wohl!

Ganz eindrucksvoll sind die schon bildmagnetische Kraft entfaltenden Titel „Höhe toter Mann“ oder „Höhe 304“, ganz späte und ganz zeitige Reflexe aus dem Verdun des 1. Weltkrieges, von dem längst keiner mehr spricht. Bilder, so aufgewühlt wie jene Landschaft noch heute.

In dieser vor Kraft geradezu strotzenden Doppelausstellung ist ein Mann zu entdecken, auf den Teltow stolz sein kann. Es ist ein Maler zu entdecken, der sich in seinen Werken unübersehbar und deutlich offenbart, wie es ja überall sein soll, im Menschenleben. Wer ihn noch von früher kennt, weiß, dass er seine Handschrift gar nicht so sehr verändert hat, sie ist nur perfekt und auch schöner geworden, wie diese tollen Fischerboote in Yport und zu Entretat belegen.

Schon mit dem nächsten Schritt ist man wieder, am schönroten Hahn vorbei, bei ihm daheim, um eine Skizze vom Rathaus zu schauen, darin man sich gerade befindet, oder sich an seinem Blick auf den Teltower „Zickenplatz“ freut. Was einmal werden soll mit diesen Werken aus Kunst? Der Mann ist ein Großer, nur weiß das die Welt nicht so recht. Man sollte einfach nicht fragen, sonst käme manch Altgedienter noch auf feurige Gedanken! Und das sei ferne!

Im Rathaus und im Bürgerhaus noch heute 9 bis 12 Uhr.

Gerold Paul

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