Nikolauslauf: Roter Mantel und Zipfelmütze waren Pflicht
Nikoläuse soweit das Auge reicht: 724 Menschen sind am Sonntag in Michendorf (Potsdam-Mittelmark) zum Nikolauslauf an den Start gegangen.
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Michendorf - Die letzte Linkskurve nimmt Jan Ludwig im Eiltempo, der dreirädrige Kinderwagen fliegt fast über den Bordstein. Und Ludwig überquert lässig mit seinem 19-monatigen Söhnchen als Erster den Zielstrich der 2500-Meter-Strecke. Neun Minuten mit Kinderwagen: Beim dritten Nikolauslauf in Michendorf scheint vieles möglich – dem heiligen Nikolaus sei Dank. Die Potsdamer Straße ist am Sonntag voller roter Mäntel, Mützen und vereinzelt auch weißer Bärte. Weihnachtslieder dröhnen aus den Lautsprechern am Streckenrand.
Sieben Grad, es ist trocken, der Wind bläst nur leicht: gutes Laufwetter für Dezember. Ein Rekordfeld von 724 Freizeit-und Leistungssportlern dreht eine, zwei oder vier Runden durchs Ortszentrum. Jan Ludwig mit Kinderwagen hat sich für die kurze Distanz entschieden. Seine Frau, CDU-Landeschefin Saskia Ludwig, läuft zwei Runden mit 5 000 Metern. Doch trotz der schweißtreibenden Kluft, die Pflicht ist, haben sich auch viele Läufer für die lange Distanz entschieden.
Die „Botenläufer“ aus der Lutherstadt Wittenberg zum Beispiel sind mit gemischter Laufgruppe angereist und absolvieren die vollen zehn Kilometer. „Ständig rutscht der Mantel“, hadert André Martin über die ungewohnte Montur für die Mittelstrecke. „Man schwitzt und schwitzt und irgendein Teil des Mantels flattert immer im Gesicht rum. Aber das ist trotzdem eine tolle Veranstaltung“, findet Martin. 39 Minuten und 17 Sekunden hat er für die Hauptstrecke benötigt.
Beim Tee nach dem Rennen zeigt er sich zufrieden. Seinen Mannschaftskollegen Michael Wartmann hat er zwei Minuten hinter sich gelassen. Und mit seiner Frau Katja Wartmann kommt die zweitschnellste Frau aus dem Anhaltiner Team: Sie schafft den Zieleinlauf hinter der Potsdamerin Angelika Ehebrecht, die mit 44,5 Minuten gewinnt. Für die Anhaltiner steht noch vor dem Duschen fest: Sie werden 2012 wiederkommen.
Fast 3000 Zuschauer säumen die Strecke, schätzt der veranstaltende Laufclub Michendorf. Ihn hat der dritte Nikolauslauf mit seinem Rekordandrang vor enorme Herausforderungen gestellt: Nach 672 Laufinteressierten war wenige Tage vor dem Lauf die Teilnehmerliste geschlossen worden. 50 Kurzentschlossene kamen am Sonntag dazu, die Mäntel haben gerade gereicht. „Wir werden die Läuferzahl begrenzen müssen“, sagt Vereinschef Andreas Friese. Mehr als 1000 Läufer wären im Ort nicht zu bewältigen– trotz der 60 helfenden Vereinsmitglieder .
Am Rande feuert Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos) im Engelskostüm die letzten Läufer an – gemeinsam mit ihrem Nachfolger im Bürgermeisteramt, Reinhard Mirbach (CDU), der sie am 16. Dezember ablösen wird. Es ist Jungs wahrscheinlich letzter öffentlicher Auftritt – sie meistert ihn mit sichtlichem Spaß und ohne Berührungsängste gegenüber ihrem Nachfolger.
Die Atmosphäre ist durch und durch entspannt, auch als der 61 Jahre alte Bernd Müller als Letzter leichten Fußes die Ziellinie überschreitet. „Ich habe mir das Rennen gut eingeteilt“, sagte der Wilhelmshorster. „Ich trainiere nur alle paar Wochen und laufe nur in meiner Heimat mit.“ 73 Minuten hat er gebraucht. Mit einem Schoko-Weihnachtsmann und einem Tee schlendert er zur Siegerehrung.
Der Potsdamer Hagen Brosius, Topathlet des SCC Berlin, reckt dort unangegriffen den Pokal in den Vorweihnachtshimmel. Der 23 Jahre junge Spitzenläufer ist mit 32 Minuten und 36 Sekunden locker einen neuen Nikolaus-Rekord gerannt. „Die meisten Nikoläuse kommen aber nicht, um den Rekord zu brechen, sondern weil sie die Atmosphäre genießen wollen“, versichert Andreas Friese.
Thomas Wendel
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