Potsdam-Mittelmark: Roter Orden am weißen Kittel
Roswitha Perlwitz aus Teltow geht als Ärztin neue Wege. Für ihren Einsatz wurde sie jetzt geehrt
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Roswitha Perlwitz aus Teltow geht als Ärztin neue Wege. Für ihren Einsatz wurde sie jetzt geehrt Von Kirsten Graulich Teltow - Einen freien Parkplatz gibt es kurz nach 8 Uhr vor der Praxis in der Teltower Rathenaustraße nicht mehr. An den Nummernschildern ist ablesbar, dass einige Patienten einen langen Weg hinter sich haben. Sogar aus Gransee und Baruth kommen sie zur Sprechstunde von Dr. med. Roswitha Perlwitz, obwohl viele auf den ersten Termin meist ein halbes Jahr warten mussten. Doch die Neuropsychiaterin stellt klar, dass es bei Notfällen Ausnahmen gibt: „Die lasse ich doch nicht warten, da wird eben auch mal Unmögliches möglich.“ Jetzt erhielt die 62-jährige Teltower Ärztin aus den Händen von Ministerpräsident Matthias Platzeck den „Roten-Adler-Orden“, der erstmals an 16 Persönlichkeiten verliehen wurde. „Mit außergewöhnlichem persönlichen Einsatz und vielen innovativen Ideen hat sie die Entwicklung der Kinderpsychiatrie vorangebracht“, heißt es in der Begründung. Besonders hervorgehoben wird ihr Konzept zur medizinischen, psychologischen und fürsorgerischen Betreuung für die Langzeitbehandlung behinderter, besonders anfallskranker Kinder. Das Konzept hatte sie bereits Anfang der 90er Jahre auf den Weg gebracht, als sie sich in Teltow als Ärztin für Neurologie und Psychiatrie niederließ. „Damals gehörte schon eine Portion Mut dazu und auch Risikobereitschaft, denn man weiß ja nie, wie es ausgeht“, erinnert sie sich. Viele Kollegen wagten diesen Sprung erst wesentlich später. Und weil es nicht ihrer Mentalität entspricht, halbe Sachen zu machen, stand für sie fest, dass ihre Praxis multiprofessionell ausgerichtet sein muss. Seit der Eröffnung arbeitet sie mit einem Team aus Psychologen, Sonderpädagogen und einer Sprachheillehrerin unter einem Dach zusammen. Zuvor musste dieses Dach erst einmal errichtet werden und so entstand auf dem eigenen Wohngrundstück ein zweites Haus. Auch dafür ging sie ein Risiko ein, indem sie einen Kredit aufnahm. Heute gilt Perlwitz mit ihrer komplexen Diagnostik und Therapie im Land Brandenburg als Vorreiterin, vor allem auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Auch bundesweit erwarb sie sich Anerkennung und entsprechend hoch ist die Zahl der Patienten. Täglich zwölf Stunden zu arbeiten, ist für sie normal und in der Woche werden schnell 70 bis 80 Stunden daraus, denn auch das Wochenende muss geopfert werden für Berichte und Auswertungen. „Bürokratie kann einem da den letzten Nerv rauben“, stöhnt Roswitha Perlwitz und verweist auf das neue Abrechnungssystem, das jeder Handlung einen eigenen Code zuordnet. Viel Zeit brauchen auch die ersten Gespräche mit Patienten, bei Kindern dauern sie doppelt so lange wie bei Erwachsenen. Die jungen Menschen kommen aus allen Schichten und bringen eine breite Palette von Problemen mit in die Praxis. „Die Kinder sind wie Seismographen der Gesellschaft", so die Ärztin. In ihrer Sprechstunde kommen zunehmend Kinder mit Lern- und Sprachschwierigkeiten sowie senso-motorischen Störungen bis hin zum ADHS (das so genannte Zappelphillip-Syndrom). Weitere Therapieschwerpunkte sind Epilepsie und Sozialpsychiatrie. Bei Epilepsie und ADHS gebe es noch so manche Unsicherheit, auch bei Kinderärzten, sagt sie, weshalb sie ihre Kollegen fachlich unterstützt. Ebenso angeleitet wird von ihr eine Epilepsie-Selbsthilfegruppe, die Gastrecht im Praxishaus genießt. Zugute kommen Roswitha Perlwitz dabei ihre Erfahrungen als Oberärztin in der Universitätsklinik Greifswald und die Tätigkeit als Chefärztin im Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie Berlin-Lichtenberg. Sie übernimmt auch eine Vermittlerrolle, wenn es darum geht die Weichen für den Bildungsweg der jungen Patienten zu stellen. „Je früher sie in die Praxis kommen, desto besser kann man eingreifen und günstig ihre Zukunft beeinflussen.“ Kinder zu stärken gelinge nur, indem man tiefer hake, wozu die enge Zusammenarbeit mit Eltern, Lehrern, Sozialarbeitern und Kinderärzten gehöre. „Doch die Zeit wird immer weniger, die Patienten immer mehr“, resümiert sie. Da steht Privates bei der Ärztin oft hintenan. Wenig Zeit bleibt ihr auch, den schönen Garten ringsum zu genießen. An manchen Tagen reicht es nur für einen kurzen Blick aus dem Fenster.
Kirsten Graulich
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