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Potsdam-Mittelmark: Rotes Meer von Zipfelmützen

Europas größte laufende Weihnachtsmannparade in Michendorf ist Laufevent und Volksfest in einem

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Michendorf - Die Knirpse wissen es an diesem Sonntag längst: Echte Nikoläuse kommen aus Michendorf. Würden sonst so viele Verwandte des roten Mannes zum Michendorfer Nikolauslauf kommen? Knapp 900 Teilnehmer waren am Sonntag zum Laufereignis angetreten, das nun schon ins sechste Jahr geht.

Weihnachtsmannkostüm ist dabei Pflicht. So steigen einige Rauschebärte schon im Kostüm aus ihren Wagen, die sie in Nebenstraßen Stoßstange an Stoßstange geparkt sind. Wer kein Kostüm hat, kann vor dem Start den roten Mantel nebst Zipfelmütze im Gemeindezentrum erwerben. Dort gibt es auch Schnüre und Sicherheitsnadeln, um das weihnachtliche Outfit anzupassen. Der Schnelligkeit wegen hängt mancher die langen Mantelschöße keck in die Gürtelschlaufe, andere bevorzugen Jäckchen und die Light-Variante sind kurze rote Kragen. Nur ein Läufer im orangefarbenen Trikot wird wohl nachbessern müssen.

430 Kostüme wurden in diesem Jahr vorsorglich von den Organisatoren geordert, dazu 200 Zipfelmützen für Kinder, denn die müssen nicht in voller Montur an den Start. Dabei ist den Jüngsten das Kostüm besonders wichtig und ein Mädchen beharrt sogar darauf, mit ihren schwarzen Stiefeln anzutreten. „Doch, ich kann damit gut laufen“, lässt sie sich auch von der Oma nicht umstimmen.

Rot dominiert an diesem Vormittag die 12000 Einwohner zählende Gemeinde. Sogar die Polizisten tragen rote Zipfelmützen zur Uniform. Nein, Dienstvorschrift sei das nicht, grient einer von ihnen: „Die hat uns der Bürgermeister übergeholfen.“ Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) hat viertel vor elf die Pistole für den Startschuss in der Hand. Noch laufen aufgeregte Zuschauer über die Bahn, um den besten Platz für einen Schnappschuss zu finden. Es herrscht Volksfeststimmung.

Während das Publikum sich mit Glühwein wärmt, tun es einige Läufer mit Fußkreisen und Hüpfern. Und aus dem Lautsprecher tönt die Mahnung: „Bitte die Hunde kurz halten, die wollen sonst mitrennen!“ In der Tat hat sich die Spannung auch auf einige Fellnasen übertragen, die aufgeregt an ihren Leinen zerren. Als die Jüngsten zum Zipfelmützenlauf über einen Kilometer losflitzen, begleitet sie das sehnsüchtige Kläffen eines Jack-Russell-Terriers. Der heißt Faye, eine Hundedame, die mit Herrchen in der zweiten Runde auf die Strecke darf. Schon bevor der Startschuss fällt, hüpft sie aufgeregt über die Startlinie, wird aber nicht disqualifiziert.

Fünf Kilometer laufen die beiden – Faye, immer vorneweg, zieht Herrchen mit. Auch Eltern mit Kinderwagen sind zum Lauf angetreten. Einige Damen gehen es gemütlich an und schwatzen wie beim Kaffeekränzchen. Zwei unzertrennliche Freundinnen haben sich beim Laufen untergehakt. Wie eine Welle ziehen die roten Mützen über die Chaussee.

Die Kinder sind die ersten im Ziel, jedes wird lautstark auf den letzten Metern angefeuert. Auch Kaspar, mit fast zwei Jahren der Jüngste, will die letzten Meter selbst laufen, nachdem Mama und Papa ihn immer mal wieder abwechselnd getragen haben. Hinterm Ziel gibt es für alle einen Schokoweihnachtsmann, der von einigen gleich geköpft wird.

Siegerin beim Zipfelmützenlauf wird Ronja Borchmeyer aus Wildenbruch und bei den Jungen Pascal Erl aus Michendorf. Die Strecke von fünf Kilometern absolvierten die meisten Läufer, unter ihnen auch die 74-jährige Susanne Rück aus Berlin, die zum zweiten Mal dabei ist und die Atmosphäre des Laufevents schätzt. „Die Sonne im Rücken, das war wunderschön“, schwärmt sie. Dreimal in der Woche trainiere sie, um mit 75 beim Berliner Halbmarathon dabei zu sein. Auch ihren Teamkolleginnen Marieke Flöter und Susanne Drozdzynski von der BSG AOK Nordost Berlin gefällt die Stimmung in Michendorf: „Dieses rote Meer von Zipfelmützen, das die ganze Straße ausfüllt, ist schon ein toller Anblick.“

Stefan Hendtke (15:30) und Angelika Ehebrecht (22:19) sind Sieger über die 5-Kilometer-Distanz. Auch Russell-Hündin Faye ist mit Herrchen im Ziel eingetroffen und freut sich über die Bratwurst, die sie zur Belohnung erhält. Zur Mittagszeit haben dann die letzten Nikoläuse die Strecke geschafft. Jens Killat (37:31) aus Caputh und Laura Schadow (48:02) aus Luckenwalde gewinnen den 10-Kilometer-Lauf.

Das Spektakel, das viele Michendorfer freiwillig unterstützen, ist europaweit die „größte laufende Weihnachtsmann-Parade“. Vielleicht glauben die kleinen Michendorfer deshalb länger an den Weihnachtsmann als andere Kinder, wie eine Mutter zu berichten wusste.

Kirsten Graulich

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