Potsdam-Mittelmark: Rückkehr zum Galgenberg
Zum 100. Todestag wurde Christian Morgenstern zu Ehren ein Literaturmuseum in Werder eröffnet
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Werder (Havel) - Geld war nie viel drin, dennoch liegt die ewig leere Brieftasche eines der bekanntesten deutschen Poeten in einer der Vitrinen auf der Bismarckhöhe in Werder. Zusammen mit weiteren Exponaten aus Christian Morgensterns Nachlass wurde am Samstag, pünktlich zum 100. Todestag des Dichters, ein bisher in Europa einzigartiges Morgenstern-Literaturmuseum eingeweiht.
Die Idee zu dem Museum entstand vor vier Jahren bei einem Spaziergang von Morgenstern-Freunden auf der Bismarckhöhe. Denn dieser historische Ort, gut 70 Meter über Normal, samt seiner Geister und Weine, hatte es Morgenstern (1871-1914) angetan: Ende des 19. Jahrhunderts trank der in München geborene Literat häufiger mit Freunden im „Restaurant Galgenberg“ ein Gläschen. Dabei entstanden die „Galgenlieder“. Sie kursierten zunächst im kleinen Kreis von acht Freunden, dem Bund der Galgenbrüder. Nach gespielten Henkersritualen trug man sich im Restaurant obskure Lieder vor. 1905 wurde der Gedichtband herausgegeben, der Grundstein zu Morgensterns literarischem Ruhm war gelegt.
Da war er nun, der „Ruf vom Galgenberg“, den der Verein „Freundeskreis Bismarckhöhe“ damals bei einem Rundgang auf der Anhöhe vernahm. Seither war klar, dass zum 100. Todestag das bisherige Morgenstern-Zimmer in ein Museum umgewandelt werden sollte.
Mehr als 300 Gäste, darunter auch die Kulturministerin und Schirmherrin Sabine Kunst (parteilos), weihten das Museum am Samstag ein. In Vorbereitung der Museumseröffnung wurden rund 300 000 Euro in die Bismarckhöhe investiert, rund ein Drittel des Geldes stammt vom Bund. Den Rest teilten sich das Land, der Landkreis, die Stadt sowie der Freundeskreis Bismarckhöhe.
Das sei ein großer Gewinn für Werder und das Land, sagte Kunst bei der Eröffnungsrede. „Die Gruppe der über das Land hinaus bekannten literarischen Gedächtnisorte wird größer.“ Neben Kleist, Fontane und Hauptmann gebe es im Land nun ein Museum für Morgenstern, so Kunst. Auch Bürgermeister Werner Große (CDU) unterstrich, dass die Stadtverwaltung voll und ganz hinter den Morgenstern-Aktivisten stehe, und dies auch für die beiden noch einzurichtenden Räume gelte. In einem Nebenraum des Museums soll wie berichtet im kommenden Jahr ein Projektraum entstehen, in dem Schüler sich Christian Morgenstern multimedial erschließen können.
„Meine Liebe ist groß wie die weite Welt“ stand als Motto über dem zweistündigen Festakt im Ballsaal der Bismarckhöhe. Dazu wusste der aus dem italienischen Modena angereiste Literaturwissenschaftler Ernst Kretschmer in einer langen Rede so einiges zu sagen. Achim Risch, Kurator des Freundeskreises und Spiritus Rector des Literaturmuseums, regte die Gründung einer Morgenstern-Gesellschaft und die Einführung eines „kulturellen Jahres“ an. Ihm wurde am Samstag symbolisch der Schlüssel zum Museum im ersten Stock des Turmgeschosses übergeben. Der 83-jährige Risch dankte gerührt, er war soeben zum ersten Museumsleiter geadelt worden. „Mit Ernennungsurkunde, aber ohne Gehaltsschein“, sagte Risch mit einem Lachen. Denn man wolle weiterhin ein Amateurmuseum bleiben, „von Amateuren geschaffen, von Amateuren geleitet“, so Risch.
Dann war es so weit, der neue Leiter führte persönlich in die Ausstellung ein. Auf 90 Quadratmetern stehen Exponate und Schautafeln in schönster Ordnung, Erstausgaben, Sekundärliteratur, Urkunden, historische Fotos, Schreibhefte, Reisepässe und nicht zu vergessen die ewig leere Brieftasche des Poeten. Unter den Exponaten sind auch einige Raritäten wie Morgensterns Kneifer, ein Selbstbildnis, ein Ölporträt seiner Frau und eine Replik der einzigen Morgenstern-Büste. So viel von Morgenstern auf dem Galgenberg, vermutlich einem seiner Lieblingsorte, da sei es klar, dass der Dichter nun „endgültig zum Galgenberg zurückgekehrt ist“.
Gerold Paul
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