Potsdam-Mittelmark: Schlechte Zeiten fürs Mittelalter
Der Wirt der „Knappenschänke“ in Philippsthal streckt die Waffen
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Der Wirt der „Knappenschänke“ in Philippsthal streckt die Waffen Philippsthal. Es sah nach einer bevorstehenden Renovierung aus, als vor einigen Tagen auf dem Hof der „Knappenschänke“ in Philippsthal Möbel aufgeladen wurden. Es war aber ein kleiner Auszug: Gastwirt Harry Koloszijeski hat seine Privatzimmer geräumt, er hat das traditionsreiche Lokal gleich neben Kirche und dem 100 Jahre alten Schulgebäude aufgegeben. Seit Monatsbeginn ist es geschlossen. „Ein neuer Betreiber könnte aber jederzeit wieder öffnen“, versicherte der 49-Jährige, der selbst noch dazu beitragen will. Jeden Tag ist er auf dem Grundstück, arbeitet an den Grünanlagen hinter dem Gasthaus und pflegt die Tiere, Grauesel, Pony und Ziegen, die auf dem Hof ihre Heimstatt haben. Und er ist als Ortsbürgermeister gut beschäftigt mit den Vorbereitungen zum großen Dorffest, das im Juni gefeiert wird. Dann ist der Ort 250 Jahre alt. Geputzt wird eifrig: In der Vorwoche war Bauabnahme für die neuen Fußwege, die nun die Dorfstraße säumen. Der Grund für die Schließung des Lokals war und ist die in letzter Zeit schwächer gewordene Geschäftslage. „Die Leute gucken auf ihr Geld.“ Beim großen Mittealterfest im vorigen Sommer, das dem zehnjährigen Bestehen der „Knappenschänke" gewidmet war, hatten die Besucher noch einen anderen Eindruck. Drei Tage lang sorgten der Templer-Orden aus Berlin und die Berlin-Brandenburgische Grals-Familie für Trubel am laufenden Band. Die Ritter kamen hoch zu Ross, ihre Familien gaben Einblick in das Zeltlager-Leben, Musikgruppen, Gaukler und Feuerspucker brachte Abwechslung ebenso wie ein zünftiger Mittelaltermarkt. Und der Gastwirt mit seinem Team sorgte für zünftige Speisen und Trank. Harry Koloszijeski und die Familie Schütt als Eigentümer des Hauses haben den im April 2002 geschlossenen Pachtvertrag im gegenseitigen Einvernehmen gelöst. Beide haben die Hoffnung, dass es mit einem neuen Pächter bald weiter geht. Dann würde er auch wieder die Kochmütze aufsetzen und hinter der Theke stehen, meinte der bisherige Wirt, der im Mai seinen 50. Geburtstag feiert. „Aber nicht mehr als selbständiger Unternehmer.“ Die Verbindungen zu den Traditionsvereinen wird er weiterhin pflegen, denn mit ihnen hat er dem Restaurant das Gepräge gegeben und der Gemeinde, die ja oft als „Kürbistal“ bezeichnet wird, zu viel Zuspruch verholfen. Und für sich selbst einen schönen Lebensabschnitt geschaffen. Der ausgebildete Gartenbauingenieur mit leitender Tätigkeit bei der Melioration in Glindow war nach der Wende in die Gastronomie gegangen. „Kochen war mein Hobby.“ Bald hatte er die Meisterprüfung bestanden, nach einem Zwischenspiel als Gastwirt in Glindow war er 1993 in die Knappenschänke eingetreten. Besitzer und Chef war damals noch Dieter Mühlstein, der schon zu DDR-Zeiten historische Darbietungen arrangiert hatte, wie beim Weberfest in Babelsberg. Seine im Philippsthaler Stall untergebrachte Kuh „Lisa“ hat im DEFA-Film „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“ eine tierisch gute Rolle gespielt. Der nun ausgeschiedene Gastwirt hatte nach eigenen Worten „immer gute Unterstützung durch die Gemeinde". In der will der gebürtige Potsdamer bleiben und es genau so halten wie seine Vorgänger in der Kommunalpolitik. Georg Jopke
Georg Jopke
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