Potsdam-Mittelmark: Schleusenfest machte seinem Namen alle Ehre
Technikbegeisterte kamen auf ihre Kosten und schwelgten in nostalgischen Erinnerungen
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Kleinmachnow - Es knarrt und quietscht, als sich die Schleusentore öffnen und ein Containerschiff gemächlich unter der Brücke hindurch in Richtung Griebnitzsee gleitet. „Sieht leicht aus, ich glaube aber, das ist ziemlich schwierig, so eine Schleuse zu passieren“, meint ein Vater zu seinem Sohn. Auch beim diesjährigen Schleusenfest war das Auf und Ab an der Schleusenkammer die Publikumsattraktion. Von der Festwiese wehten Jazzklänge zur Brücke hinauf, nur kurz unterbrochen vom Sound der Sirene aus der Kommandozentrale der Schleuse.
Vom Deck eines Lastkahns, der auf die Schleusenkammer zugleitet, ertönt freudiges Gebell. Ein Terrier hat sich an der Reling aufgerichtet und gibt den Bootsmann – angesichts des Publikumsandranges auf der Brücke. Dem Kahn folgt ein Freizeitklipper in die Kammer – nachdem die Tore geschlossen sind, geht es wasseraufwärts. Der Freizeitkapitän hopst aus dem Boot auf die Schleusenplattform, um sein schwankendes Schiff mit beiden Händen festzuhalten. Als es die Schleuse verlässt, schafft er es gerade noch mit einem kühnen Sprung wieder an Bord zurück. Auch beim nächsten Schleusengang – sechs Freizeityachten sind in der Kammer – kommen die Schaulustigen auf ihre Kosten, während den Skippern der Schweiß auf der Stirn steht.
Zum Schleusenfest wurden am Wochenende auch Touren auf einem historischen Dampfschiff zum Griebnitzsee angeboten, eine Barkasse fuhr zur Teltow-Werft und die MS Müggelsee lud zur Schleusentour ein. Außerdem wurden ein Kunsthandwerker-Markt sowie ein Zirkusworkshop und ein Kindertheater angeboten. Der Andrang hielt sich jedoch wegen des kühlen Sommerwetters in Grenzen. Mancher saß dick eingemummelt auf dem Festgelände, um „Papa Binnes Jazzband“ oder dem Jugendblasorchester Kleinmachnow zu lauschen.
Allerdings kamen Technikfreaks auf ihre Kosten bei diesem Fest. Nicht nur beim Rundgang durch das Schleusenbauwerk, sondern auch beim Besuch der alten Straßenbahn 96, die seit einem Jahr an der einstigen Endhaltestelle, der Kleinmachnower Schleuse, steht. Schon 1905 gab es einen regen Ausflugsverkehr, als die Strecke von Stahnsdorf noch einmal um 1,4 Kilometer zur Südseite der Schleuse verlängert wurde. Einige Besucher sind erstaunt, als sie in die Bahn einsteigen, die ihnen plötzlich „viel kleiner“ als früher erscheint. Eine Frau erinnert sich, dass sie oft am Sonntagmorgen in aller Frühe mit ihrem Bruder heimlich Straßenbahn fuhr, während die Eltern noch schliefen. „Aus dem Groschenglas, das in der Küche stand, mopsten wir uns das Fahrgeld. Und dann ging es eine Runde über Teltow bis Lichterfelde und zurück.“ Ein anderer Besucher weiß noch, wie sie als Kinder Pfennige auf die Schienen gelegt hatten, die die Räder der Bahn dann platt rollten.
Größtes Vergnügen bereitet vielen Besuchern, einmal selbst an der Kurbel zu drehen und das Abfahrtsgeläute zu bedienen. Nach wie vor gilt jedoch, dass der „Zutritt zum Fahrerstand nur nach Absprache mit der Aufsicht“ erfolgen darf, wie auf einem alten Schild zu lesen ist. Doch nicht nur die Technik hat sich seither verändert, sondern auch die Region, wie ein Foto dokumentiert, auf dem an der Strecke der alten 96 noch Schafe grasen. Kirsten Graulich
Kirsten Graulich
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