Potsdam-Mittelmark: Schmerzensgeld der Tochter veruntreut
Ein Mädchen wegen eines Arztfehlers behindert. Ihre 350 000 Euro hat der Vater ausgegeben. Jetzt bekam er eine Bewährungsstrafe
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Werder (Havel) - Ronja* kann weder greifen noch laufen. Sie braucht Hilfe, um auf die Toilette zu gehen, muss gefüttert werden, wird zeitlebens im Rollstuhl sitzen. Die inzwischen Zwölfjährige ist Opfer eines ärztlichen Kunstfehlers geworden. Nach ihrer Geburt im St.-Josefs-Krankenhaus im Februar 2001 wurde eine Gelbsucht nicht richtig behandelt, was zu schwersten körperlichen Schäden führte. Geistig ist das Mädchen völlig gesund.
Sechs Jahre später zahlte die Haftpflichtversicherung der Klinik 300 000 Euro Schmerzensgeld sowie rund 47 000 Euro kapitalisierte Schmerzensgeldrente an Ronja. Die Summe ging auf dem Konto ihres Vaters Roland R.* (43) ein, der das allein für seine Tochter bestimmte Geld anlegen und verwalten sollte. Doch der Werderaner soll das Geld bis auf den letzten Cent für andere Zwecke ausgegeben haben. Die Staatsanwaltschaft leitete ein Verfahren gegen den gelernten Schienenfahrzeugschlosser ein. Der tauchte zwei Jahre lang unter, stellte sich schließlich im November des Vorjahres. Der Druck, der auf ihm lastete, wurde zu groß.
Am Mittwoch wurde Roland R. vom Schöffengericht unter Vorsitz von Reinhild Ahle wegen Untreue im besonders schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Sanktion wurde zu dreijähriger Bewährung ausgesetzt. Ferner muss der Hartz-IV-Empfänger 200 Stunden unentgeltlich arbeiten.
„Ich bekenne mich im Großen und Ganzen schuldig“, erklärte der Angeklagte zu Prozessbeginn. Allerdings habe er das Geld nicht verprasst, sondern in den Umbau des 2004 gekauften maroden Obstmuckerhauses gesteckt. Dessen Instandsetzung sei wesentlich teurer geworden als veranschlagt. „Irgendwann habe ich völlig die Übersicht über die Finanzen verloren“, räumte Roland R. ein.
Eigentlich sei er davon ausgegangen, dass Ronja später samt Pflegepersonal in dem behindertengerecht gestalteten Haus leben würde, erzählte der Werderaner. Aber die Ehe von Roland R. ging in die Brüche. Im Herbst 2008 zog er zu seiner Freundin. Die Ehefrau konnte das große Haus, dessen Heizkosten im Monat allein 1000 Euro verschlangen, nicht halten. Als die Zwangsversteigerung drohte, überschrieb Roland R. der Noch-Gattin seine Hälfte der Immobilie. Die verkaufte das Haus, erhielt nach Abzug aller Verbindlichkeiten lediglich noch 63 000 Euro.
„Das Schmerzensgeld ist definitiv nicht in den Umbau des Hauses geflossen“, betonte Ramona R.* (43) – Opernsängerin und inzwischen vom Angeklagten geschiedene Frau – vor Gericht. „Als die Zahlung erfolgte, war das Haus bis auf Kleinigkeiten fertig.“ Geld sei immer vorhanden gewesen. Ihr damaliger Mann habe vor Jahren mehrere Grundstücke in Caputh geerbt, sie zu guten Konditionen veräußert. Deshalb habe sie sich auch nicht gewundert, dass er sich einen Cadillac kaufte, ihn mit 40 000 Euro anzahlte.
Erst während der Trennung habe sie gemerkt, dass das Schmerzensgeld weg war, berichtete Ramona R. Sie hat jetzt das alleinige Sorgerecht für Ronja, gibt Musikunterricht, da sich Bühnenauftritte und Rundumpflege der Tochter nicht vereinbaren lassen. „Ich wüsste schon gern, wo die Summe geblieben ist“, erklärte sie. Anfangs habe sie versucht, sich im Guten mit dem Vater ihrer zwei Kinder zu einigen. Als das nicht fruchtete, habe sie Anzeige bei der Polizei erstattet.
Dennoch wolle sie – ebenso wie die beiden Töchter – nicht, dass Roland R. ins Gefängnis kommt. „Er soll sich Arbeit suchen und Geld verdienen, damit er den Schaden wieder gutmachen kann“, sagte Ramona R. Seit Jahren zahle er keinen Unterhalt für Ronja und die ältere Schwester. Allerdings habe er wieder Kontakt zu den Kindern aufgenommen.
„Der Angeklagte handelte im höchsten Maße moralisch verwerflich“, stellte der Vertreter der Staatsanwaltschaft klar. „Ronja hat ein schweres Schicksal. Das Geld sollte dazu dienen, ihr das Leben erträglicher zu machen.“ Es lasse sich nicht feststellen, wo das Geld geblieben sei, führte die Vorsitzende aus. „Ein Teil ist sicher in den Hausumbau geflossen, den Rest hat der Angeklagte vermutlich für sich ausgegeben.“ Fakt sei, es steht Ronja nicht mehr zur Verfügung. „Sie wohnt auch nicht wie geplant in einem schönen großen Haus, sondern wesentlich bescheidener.“ (*Namen geändert.)
Gabriele Hohenstein
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