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Von Peter Könnicke: Schöne Aussicht fürs Belvedere

Neugotisches Denkmal auf dem Werderaner Mühlenberg wird von privaten Eigentümern restauriert

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Werder (Havel) - Denkt man an „Schöne Aussichten“ in der Region, hat man Großes im Sinn. Man denkt an das Belvedere auf dem Potsdamer Pfingstberg, an Schlösser und Gärten. Will man indes das Belvedere auf dem Werderaner Mühlenberg einfangen, muss man schon genau hinsehen. Es ist leicht zu übersehen. Dabei überragt es vieles – die Dächer in der Nachbarschaft, die Havel liegt zu Füßen, der imposanten Heilig-Geist-Kirche begegnet es auf Augenhöhe.

Vermutlich vom preußischen Baumeister Friedrich August Stüler um 1850 gebaut, stand das Belvedere einst in der Sichtachse zwischen Werderaner und Geltower Kirche. Viele Jahre schlummerte das Denkmal hinter wildem Flieder, bis es im vergangenen Jahr von zwei Werderanern aus seinem Dornröschenschlaf wachgeküsst wurde. Ursel Sieber und Wilhelm Brüggen, die das großzügige Grundstück am Mühlenberg samt dem ehemaligen Landheim des Berliner Grunewald-Gymnasiums gekauft haben, haben mit der Restaurierung des Belvederes begonnen.

Dabei waren die Bauherren und die Spezialisten des Potsdamer Denkmalbau-Unternehmens von Roland Schulze darauf angewiesen, was ihnen die Mauern und Relikte des Hauses erzählten. Bauhistorische Aufzeichnungen gibt es nicht, auch kaum Fotos oder andere Dokumente. Bei der Rodung der verwilderten und zugewachsenen Anhöhe wurden Überreste der originalen Fensterrahmen gefunden, Scherben des farbigen Fensterglases und das Überbleibsel einer alten Schinkel-Bank, wie man sie von Sanssouci kennt. Beim Entfernen der Deckenkonstruktion offenbarten sich Abdrücke und Spuren des ursprünglichen Dachgebildes. So fügten sich viele einzelne Puzzelstücke zu einem Gesamteindruck, nach dem das Belvedere in seiner ursprünglichen Schönheit wiederentsteht.

Fassade, Fenster, Tür und Dach sind bereits erneuert. Wie ein Symbol des Fundaments, auf dem das Ganze steht, markiert ein Mühlenstein das Zentrum des Fußbodens, um den sich das gesamte Gebäude fügt. Die Treppe hinauf zum Ausblick ist neu angelegt. Um den Hügel schmiegt sich wie eine kleine Serpentine ein Sandweg. Und auf seiner Südwest-Seite entwickelt sich der Hang zum Weinberg. „Bei der Tradition des Weineinbaus in Werder war das naheliegend“, begründet Sieber die agrarwirtschaftliche Gestaltung des Hügels. Und die Weinberg-Terrassen vor Sanssouci dienten auch ein klein wenig als Vorbild.

60 000 Euro haben die Eheleute bislang in die Sanierung des Belvederes gesteckt. An den Kosten für die Rekonstruktion der Außenhülle hat sich die Stadt Werder, die sich ihrer Pflicht für die historische Substanz der Insel sehr wohl bewusst ist, zu 40 Prozent beteiligt. Auf eine Art Refinanzierung hoffen Sieber und Brüggen durch den Gewinn des Bundespreises für Handwerk in der Denkmalpflege. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz würdigt in diesem Jahr in Brandenburg „herausragende Handwerksleitungen an Denkmalen in Privatbesitz“.

Die Werderaner haben es in die finale Auswahl von zwölf Projekten geschafft und hatten vor wenigen Tagen die Jury zu Gast auf dem Mühlenberg. Das Preisgeld von 15 000 Euro könnten die Bauherren gut gebrauchen, um auch das Innere des Belvederes fertig zu stellen. Dort lassen fachmännisch freigelegte Farbreste und Malereien die ursprüngliche Gestaltung erahnen und Ähnlichkeiten mit dem Altarraum der benachbarten Heilig-Geist-Kirche erkennen.

Die „Schöne Aussicht“ soll wieder gesehen und wahrgenommen werden. Der bislang verbaute Zugang zu dem Grundstück soll großzügiger gestaltet werden und künftig den freien Blick auf das Kleinod ermöglichen. Stadtführer sollen Besuchern das kleine neugotische Juwel präsentieren. Auf eine Nutzung haben sich die Eigentümer noch nicht festgelegt. „Vielleicht als Teehäuschen“, überlegt Ursel Sieber. Gute Aussichten für das kleine Belvedere.

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