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KulTOUR: Schöne Bescherung

Neues Stück der Comédie Soleil bleibt unverständlich und wirkt unmotiviert

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Werder (Havel) - Ein wenig erinnert die „Weihnachtsfeier“ zwischen Joyce und seinem Diener Ludwig an das legendäre „Dinner for One“. Auch hier werden ganze Abläufe nicht nur ritualisiert, sondern auch reproduziert, Jahr um Jahr. Und auch hier ist auf einmal alles ganz anders. Nach „Whale songs“ vor genau drei Jahren inszenierte die Werderaner Comedie Soleil nun ein zweites Stück des geheimnisvollen Autors C. Silberstein.

Es heisst angemessenerweise „Schöne Bescherung“ und ist auf zwei wohl ausbalancierte und auch sehr interessante Rollen angelegt. Worum geht es? Joyce (Michael Klemm) in seinem außen lila, innen rotem Morgenrock gibt sich zu Beginn fast wie ein kleiner Doktor Faustus, dem das Wissen der Bücher irgendwann einmal nicht mehr genügte. Deshalb hat er sich einer nicht näher beschriebenen Magie ergeben. Auf diese Art verdiente er nicht nur sein Brot, er brachte es auch zu weltweitem Ruhm, zumal es ihm finaliter gelang, sogar Menschen wegzuzaubern, ohne Tricks.

Als Objekt diente ihm seine unbenamste Frau, doch die hatte da immer so eine freudige Erwartungshaltung in den Augen, wenn es an ihr Verschwinden ging. Eines Tages dann kehrte sie nicht mehr zurück. Ein nicht gerade luxuriöses Apartment mit Tür zur Bibliothek bildet das Spielfeld (Jens-Uwe Behrend) der Off-Bühne. Joyce, stets sicher, eloquent und weltmännisch, Ludwig, wie ein Butler aus Old England gekleidet mit einem Sauertopf als Gesicht.

Joyce erzählt dem Publikum seine Geschichte, demonstriert dabei die totale Unfähigkeit seines Dieners. Er demoralisiert und erniedrigt ihn, ohne dass man weiß, ob das nun zum „Ritual“ gehört. Eigentlich erfährt man in Horst Wüsts Inszenierung überhaupt nicht so genau, was nun Ritual und was „echt“ ist, in diesem offenen Spiel, und was das ganze Theater nun solle. Möglicherweise hat man hier den seltenen Fall vor Augen, dass ein Stück klüger als die Inszenierung ist, und der Regisseur es, mit Verlaub, vielleicht gar nicht verstanden hat. Soll vorkommen.

Diese Inszenierung ist eben nicht ausbalanciert, sie macht Joyce zum übermächtigen Protagonisten, Ludwig lediglich zum Dulder. Hier wird auch keine Idee in Szene gesetzt, sondern nur am Text entlangbalanciert, meist ganz ohne Untertext. Was etwa hat die Schluss-Pointe, in der Ludwig geht, nachdem Joyce sich mit einer Platzpatrone erschossen hat, mit dem gezeigten Spiel zu tun? Hier ist nichts motiviert oder vorbereitet. An den Darstellern liegt es nicht, beide sind stante pede in der Lage, etwas Besseres als das hier Uraufgeführte zu spielen.

Auch vom angegebenen Genre einer „Tragikomödie“ sah man fast gar nichts. Die szenischen Abläufe waren weder gedanklich strukturiert noch dramaturgisch schlüssig, die letzten Bilder sind zum Vergessen. Wieso weiß Ludwig hier, wo seine bessere Hälfte weilt? Sah man’s, ahnte man etwas davon? Hat man wenigstens einmal erwogen, warum dieser Butler genau dann auftauchte, als „sie“ vor dreißig Jahren verschwand? Vielleicht ist er ihre Inkarnation – und er wüsste das? Wäre doch als „Spielthese“ gar nicht so übel, und auch mit dem Titel „Schöne Bescherung“ in einen Kontext zu bringen. Wenigstens der Regisseur sollte wissen, ob „ja“ oder „nein“. So bleibt diese Inszenierung ziemlich verkrampft und rätselhaft. Am Stück lag es jedenfalls nicht. Schöne Bescherung.

Vorstellungen am 9. und 10. Dezember um 19.30 und am 11. Dezember um 17 Uhr

Gerold Paul

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