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Mindestlohn: Schonfrist für Spargelbauern
Josef Jakobs ist eine seltene Spezies: ein Spargelbauer, der den Mindestlohn von 8,50 Euro begrüßt.
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Werder (Havel) /Beelitz - „Dass sich die Politik dieses Themas einmal angenommen hat, finde ich persönlich nicht verkehrt“, sagt Jakobs, Inhaber eines Spargelhofs in Schäpe. Betrieblich seien solche Steigerungen natürlich nicht so einfach zu verkraften. An Preisaufschläge von einem Euro, wie seine Kollegen sie gestern für den Spargel prophezeiten, glaubt Jakobs aber nicht. Denn gute Erntehelfer würden jetzt schon ordentlich verdienen.
Bis Ende 2017 sieht der Tarifvertrag im Gartenbau ohnehin die Einführung eine Lohnuntergrenze von 8,50 Euro vor. Schrittweise sollte der Einstiegslohn in der Branche von derzeit 6,90 Euro entsprechend wachsen. Der gestern in Berlin beschlossene Kabinettsentwurf könnte bedeuten, dass die 8,50 Euro im Obst-, Gemüse- und Gartenbau nun ein Jahr früher fällig werden. Zwar soll der Mindestlohn ab 2015 gelten. Doch es gibt Ausnahmen für einzelne Branchen mit Tarifabschlüssen, die unter 8,50 Euro liegen. Sie müssen den Mindestlohn erst ab 2017 zahlen.
Es sei gut, dass es die Spargelbauern nicht „erdrutschartig“ trifft, sagt Bauer Jakobs. Mit dem Mindestlohn müsste er voraussichtlich zehn bis zwanzig Cent mehr für das Kilo Spargel nehmen, auch vom Handel. Wie solche Sprünge bei dem fein austarierten Preisgefüge machbar sind, weiß er zwar nicht. Doch Jakobs rechnet auch nicht mit dem Schlimmsten. „Ich denke, dass wir ab 2017 ein paar Flächen weniger bearbeiten und schauen werden, wie sich das entwickelt.“
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hob gestern hervor, dass Wettbewerbsverzerrungen und eine Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen ins Ausland in der Landwirtschaft durch den gleitenden Übergang zu vermeiden seien. „Mit einer solchen Branchenlösung kann auch die Landwirtschaft, die durch Saisonarbeit besonders geprägt wird, mit Beginn des Jahres 2017 am allgemeinen Mindestlohn teilnehmen“, so Schmidt in einer Pressemitteilung. Akkordlöhne blieben zulässig, soweit der Mindestlohn damit erzielt werden könne. Man werde die Tarifvertragsparteien dabei unterstützen, die gleitende Anpassung zu schaffen.
Das wird nötig sein, denn einfach seien die neuen Lohnuntergrenzen bei aller Vorbereitungszeit nicht zu stemmen, meint der Geschäftsführer des Gartenbauverbands Berlin-Brandenburg, Andreas Jende. „Kulturen, die arbeitsintensiv sind oder wenig einbringen, könnten verschwinden.“ Zum Beispiel Sauerkirschen, Pflaumen oder Erdbeeren, zählt er auf. Die Höfe müssten nach Möglichkeiten der Mechanisierung suchen, die es nicht immer gebe. Preisaufschläge seien wegen des internationalen Wettbewerbs nicht einfach zu vollziehen.
Zudem würde der Mindestlohn für Nichtmitglieder des Verbandes ja schon im Januar mit voller Härte zuschlagen, so Jende gegenüber den PNN. Derzeit wären 75 Prozent der Obstanbaubetriebe und 60 Prozent der Gemüsebauern Verbandsmitglied und damit tarifgebunden, für alle anderen gilt die Schutzklausel nicht.
Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein hofft, dass man durch die Fristenregelung gerade in Ostdeutschland zu einer höheren Tarifbindung kommt. „Wir erkennen auch, dass es in einigen Branchen schwierig wird. Aber mit Tarifabschlüssen können sie ja in den Genuss der zweijährigen Übergangszeit kommen.“ Ab 2017 sieht Wicklein keine Chancen mehr, am Mindestlohn vorbeizukommen – soweit es sich nicht um Jugendliche, Azubis, Praktikanten oder Langzeitarbeitslose handelt.
Wicklein kann sich eher vorstellen, dass der Kabinettsentwurf im Bundestag noch verschärft wird. „Dass Langzeitarbeitslose sechs Monate zu Dumpinglöhnen beschäftigt werden dürfen, muss noch diskutiert werden.“ Die von der Union gewünschten Ausnahmen, unter anderem für Saisonarbeiter, habe die SPD schon erfolgreich abwehren können.
Den Obst- und Gartenbau sieht Wicklein deshalb nicht in Gefahr: Die Verbraucher würden etwas mehr für ihre Kirschen zahlen können, wenn sie mehr verdienen. „Gerade im Niedriglohnsektor wird ja nichts gespart, sondern alles für die Lebenshaltung ausgegeben.“
Der Glindower Obstbauer Heiko Wels sieht das anders. Er glaubt, dass vielen Obstbauern eine schwere Zeit bevorsteht. „8,50 Euro bedeutet, dass die Inhaber nichts mehr mit ihren Obsthöfen verdienen.“ Für große Betriebe werde es noch schwerer als für Direktvermarkter. „Pflücken sie mal in einer Stunde genug Pflaumen für den Mindestlohn, wenn sie vom Handel 60 Cent das Kilo bekommen.“
Wels geht davon aus, dass viele Höfe zusammenschrumpfen, wenn nicht verschwinden werden. „Wir werden für 8,50 Euro jedenfalls nur noch drei statt acht Saisonarbeiter beschäftigen können.“
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